Hermann Otto Solms war 26 Jahre lang FDP-Bundesschatzmeister, acht Jahre führte er die Fraktion im Bundestag. Von 1998 bis 2013 war er dessen BT-Vizepräsident. Drei glückliche Umstände sind in seiner Person zusammengekommen: Seine freiheitliche Gesinnung, seine Fähigkeit, widerstrebende Meinungen zu vernünftigen Kompromisslösungen zusammenzuführen, und seine wirtschaftliche Unabhängigkeit. So verstand er es bei den entscheidenden Weichenstellungen der jüngeren Politik - nach einem Wort von Max Weber - harte Bretter zu bohren mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.
Solms musste aber auch erleben, dass Politik immer nur die Kunst des Möglichen ist. Die von ihm für richtig befundene Schaffung einer Sonderwirtschaftszone in den neuen Bundesländern mit langjähriger Steuerfreiheit für wirtschaftliche Investitionen scheiterte am Widerstand grenznaher Bundesländer wie insbesondere Bayern, im Bundeskabinett damals prominent vertreten durch den Finanzminister und CSU-Vorsitzenden Theo Waigel. So kam es zu den durch Sonderabschreibungen geförderten Übersubventionen, anstatt zum Aufbau wettbewerbsfähiger Produktionseinheiten in den neuen Ländern.
Bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Pflegeversicherung hat sich die FDP, auch auf Betreiben von Solms, der als Fraktionsvorsitzender einen Kompromiss suchte, leider gegen das Kapitaldeckungsverfahren entschieden.
Nach der Bundestagswahl 1994 hat man sich in der FDP geschworen, bei Wahlkämpfen nie wieder als Steigbügelhalter einer anderen Partei aufzutreten. Das bleibt richtungsweisend. Vor allem ist es der Partei endlich gelungen, die ewige Grabenbildung zwischen einem »sozialliberalen« Flügel und dem »wirtschaftsliberalen« Flügel zu überwinden. Für Solms gehören beide Elemente auch heute inhaltlich zusammen, ohne sich im Wege zu stehen.
Ausführlich legt der Autor dar, warum es 2017 nach der für die FDP so erfolgreichen Wahl doch richtig war, die Verhandlungen über die damals mögliche Jamaika-Koalition zu beenden. Es habe neben Querschüssen grüner Fundamentalisten vor allem an der rigorosen Verhandlungsführung von Angela Merkel gelegen. Die FDP wurde mit all ihren auch heute unverändert aktuellen Themen abgeblockt: Steuergerechtigkeit und Haushaltsstabilität, weltoffenes und kontrolliertes Einwanderungsrecht, Rationalität in der Klimapolitik - alles wurde abgebügelt, weil die Union sich ausschließlich darauf konzentriert hatte, die Grünen an Bord zu holen. So wurde gemeinsam - nicht nur vom Bundesvorsitzenden Christian Lindner - entschieden: »Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.« Der neue Aufschwung der FDP, die guten Umfragewerte, mit denen man in die kommende Bundestagswahl geht, zeigen, dass der Autor auch in diesem Punkt richtig mitentschieden haben dürfte.
Das richtige Buch zur richtigen Zeit
Diese Autobiografie des Liberalen Hermann Otto Solms ist das richtige Buch zur richtigen Zeit. Eine spannende Lektüre für jeden, der sich Gedanken macht, wie es nach der nächsten Bundestagswahl weitergehen könnte. Hermann Otto Solms schließt seine Erinnerungen mit der vielleicht wichtigsten Erkenntnis eines Mannes, der jahrzehntelang Politik in unserer Demokratie entscheidend mitgestaltet hat: »No man is an Island« - es geht nur gemeinsam.
Hermann Otto Solms: Frei heraus. Mein selbstbestimmtes Leben.Verlag Langenmüller, 450 Seiten, 26 Euro; ISBN: 978-3-7844-3609-8