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CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihren Verzicht auf Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz angekündigt und die Union damit in eine tiefe Krise gestürzt. Mit diesem überraschenden Schritt zog die 57-Jährige gestern auch die Konsequenzen aus dem Debakel bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen mit den Stimmen der AfD. Sie räumte ein, dass die - von Kanzlerin Angela Merkel beförderte - Aufteilung der Ämter ein Fehler gewesen sei. Merkel bedauerte die Entscheidung, zollte Kramp-Karrenbauer aber Respekt. Die SPD forderte die CDU auf, sich klar gegen Rechtsextremisten abzugrenzen. Eine große Mehrheit der Bundesbürger (77 Prozent) findet einer FORSA-Umfrage zufolge den Rückzug AKKs gut.
SPD verlangt schnell Klarheit
»Ich werde mich nicht um eine Kanzlerkandidatur bewerben«, sagte Kramp-Karrenbauer nach einer Sitzung der CDU-Gremien. »Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur müssen aus meiner Sicht am Ende aber in einer Hand liegen.« Deswegen werde sie nach der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur das Parteiamt in die entsprechenden Hände abgeben. »Die Trennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz, die offene Frage der Kanzlerkandidatur schwächt die CDU«, sagte AKK. Verteidigungsministerin werde sie auf Wunsch der Kanzlerin bleiben.
Die SPD forderte umgehend Klarheit über den weiteren Kurs des Koalitionspartners. »Die Vorgänge an der Spitze der CDU sind sehr besorgniserregend«, sagte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verlangte via Twitter, dass die Arbeit der Koalition durch die innerparteilichen Fragen der CDU nicht aufgehalten werde.
Auslöser der jüngsten Verwerfungen in der CDU war die Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten vergangene Woche. Dabei wurde der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen von Liberalen, CDU und AfD gewählt, was Kramp-Karrenbauer und Merkel scharf kritisiert hatten. Die Parteichefin konnte sich aber bei der Thüringer CDU nicht mit der Forderung nach einer raschen Neuwahl durchsetzen. Kemmerich ist inzwischen zurückgetreten und nur noch geschäftsführend im Amt. Kramp-Karrenbauer erklärte allerdings, ihre Entscheidung zum Rückzug sei bereits »seit einer geraumen Zeit« gereift. Im CDU-Präsidium sagte sie nach Angaben aus Parteikreisen, es gebe »ein ungeklärtes Verhältnis von Teilen der CDU mit AfD und Linken«. AKK erklärte, die Parteispitze habe ihre Position eindeutig unterstützt, es gebe »keine Annäherung oder Zusammenarbeit mit der AfD und der Linken«.
Bouffier fordert Entschlossenheit
Kramp-Karrenbauer ist seit Dezember 2018 Bundesvorsitzende der CDU. Sie hatte sich damals auf einem Parteitag knapp gegen den früheren Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn durchgesetzt. Als Kanzlerkandidat gehandelt wurde zuletzt neben Laschet, Merz und Spahn auch CSU-Chef Markus Söder. Dieser bekräftigte, nicht nach Berlin gehen zu wollen. Merz zollte Kramp-Karrenbauer Respekt, ebenso wie Spahn. Laschet appellierte an die Geschlossenheit der Union. Der CDU-Vizevorsitzende und hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sagte: »Wichtig ist, dass die Union jetzt zusammensteht, entschlossen agiert, um als Volkspartei der Mitte Deutschland auch in Zukunft zu gestalten.« Er sprach sich für einen unabhängigen Experten als Übergangsministerpräsidenten in Thüringen aus.
CDU, CSU und SPD hatten sich am Samstag im Koalitionsausschuss in Berlin für die umgehende Wahl eines neuen Ministerpräsidenten in Thüringen und dann eine baldige Neuwahl starkgemacht. Dies peilen dort auch Linke, SPD und Grüne an. Die Landes-CDU sieht keinen Ausweg in einer raschen Neuwahl, die AfD findet sie unnötig. Der Konflikt soll am 17. Februar bei einem Treffen mit der CDU angegangen werden, wie Vertreter von Linke, SPD und Grünen in Erfurt bekannt gaben. Es gebe auch ein Gesprächsangebot an die FDP. dpa » Seiten 4 + 5