Eigentlich sollte am vergangenen Sonntag die angekündigte Deportation der ersten 2000 von insgesamt bis zu einer Million Einwanderern ohne Papiere beginnen. Nachdem die Betroffen durch Medienberichte und Aktivisten vorgewarnt waren, blies die Einwanderungspolizei ICE die Razzien ab. Im gesamten Stadtgebiet von New York kam es am Wochenende zu genau drei Einsätzen, von denen nicht einer von Erfolg gekrönt war.
»Das ist eine politische Aktion des Präsidenten«, wertete Bürgermeister Bill de Blasio den Ausfall der Abschiebungen. Damit keine Enttäuschung aufkommt, fachte der Präsident vorhandene Ressentiments mit Tweets gegen vier farbige Kongressabgeordnete an.
Er nahm dabei eine Kontroverse zwischen der Führerin der Demokraten im Kongress, Nancy Pelosi, und den neuen Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez aus New York, Ilhan Omar aus Minnesota, Rashida Tlaib aus Michigan und Ayanna S. Pressley aus Massachusetts zum Anlass, zu suggerieren diese Frauen seien keine »richtigen« Amerikaner. »Warum gehen sie nicht zurück und helfen die total ruinierten und von Verbrechen infizierten Orte in Ordnung zu bringen, aus denen sie kommen?«, twitterte Trump.
Nichts schweißte die Demokratinnen nach dem Streit der vergangenen Tage so schnell wieder zusammen wie diese faktisch falschen Einlassungen. Drei der verunglimpften Politikerinnen kamen in den USA zur Welt, eine erlangte als Teenagerin die Staatsbürgerschaft.
»Wenn Trump vier amerikanischen Kongressabgeordneten sagt, sie sollten in ihre Länder zurückgehen, dann bekräftigt er«, so Speakerin Pelosi, »dass es bei seinem Versprechen, Amerika wieder großartig zu machen, darum geht, Amerika wieder weiß zu machen.«
Trump knüpft mit den Tweets an eine lange Liste rassistisch belasteter Kampagnen und Aussagen an. Vor seiner Wahl hatte er die Geburt Barack Obamas in den USA infrage gestellt. Seinen Wahlkampf eröffnete er mit offener Hetze gegen Mexikaner und Muslime. Er bezeichnete Haiti und einige afrikanische Staaten als »Scheißloch-Länder« und zeigt in der Behandlung der Flüchtlinge an der Südgrenze seine Verachtung für diese.
»Es kann keine Diskussion oder Debatte mehr darüber geben, ob Trump ein Rassist ist oder nicht. Er ist es«, schreibt der Kolumnist Charles Blow in der »New York Times«. Auffällig still blieb es dagegen in der Partei des Präsidenten.
In Chicago, Los Angeles und anderen Städten demonstrierten am Wochenende Tausende Menschen gegen den Umgang mit den undokumentierten Einwanderern, aber auch den Zuständen an der Südgrenze zu Mexiko. Von dort kommen schockierende Berichte über unmenschliche Zustände in Durchgangsstationen der US-Grenzschützer (CBP).
Reporter, die Vizepräsident Mike Pence am Freitag bei einer Reise an die Grenze in Texas begleitet hatten, berichten von einem Lager in McAllen, in dem erwachsene Männer hinter Maschendraht eingezwängt sind. Laut einem Bericht der »Washington Post« hätten die Menschen weder Schaumstoff-matten noch Kissen und nicht einmal genügend Platz, auf dem nackten Boden zu schlafen.
Verzweiflung im Lager
Als die Flüchtlinge die Reporter sahen, begannen einige Menschen zu rufen. Einige sagten, sie seien bereits seit 40 Tagen dort, hätten Hunger und wollten sich die Zähne putzen. Laut »Post« klagten viele darüber, in dem überhitzten Lager seit Wochen nicht duschen zu können: »Der Gestank war überwältigend.« Die Grenzschützer liefen wie Anti-Terror-Einheiten mit Gesichtsmasken herum.
Die mitreisenden Reporter seien keine zwei Minuten nach der Begegnung mit den Flüchtlingen wegeskortiert worden. Die CBP bestreitet, dass die Bedingungen unmenschlich seien. Vizepräsident Pence verteidigte das Vorgehen der Regierung. »Das ist eine schwierige Situation.« Diese rühre von der »Überforderung des Systems«. Verantwortlich dafür seien die oppositionellen Demokraten im Kongress, die nicht genügend gegen die Flüchtlingskrise täten. Stattdessen klagten diese unberechtigterweise über »Konzentrationslager« an der Grenze. Der Kongress hatte in einem überparteilich beschlossenen Hilfepaket gerade erst 4,6 Milliarden Dollar an der Grenze zur Verfügung gestellt.