Der Oscar, den Maximilian Schell 1962 als bester Hauptdarsteller gewann, hat schon seit 2011 einen festen Platz im Deutschen Filmmuseum. Doch die Trophäe, mit der der gebürtige Wiener für seine Darstellung eines Verteidigers in Stanley Kramers Film »Das Urteil von Nürnberg« geehrt wurde, musste jetzt aus der Dauerausstellung in den dritten Stock umziehen. Dort begrüßt der kleine goldene Mann die Besucher einer Sonderschau über das Leben des 2014 gestorbenen Schauspielers und Regisseurs, die am Montagabend in dem Gebäude am Frankfurter Schaumainkai eröffnet wurde.
Schell war mehr als nur die Film- und Theatergröße, die die meisten kennen. Ein Multitalent mit zahlreichen Interessen, ein geachteter Kunstsammler, erfolgreicher Produzent, Maler, Zeichner und Autor. Ihn in seiner Vielfalt vorzustellen und schillern zu lassen, das haben sich die Kuratoren Hans-Peter Reichmann und Isabelle Bastian vorgenommen.
Kleiner Bruder von Maria Schell
Dabei konnten sie auf den Nachlass zurückgreifen, der sich seit 2016 im Haus befindet. »Mehr als 100 prall gefüllte Kisten«, wie Ellen Harrington, die Direktorin des Deutschen Filminstituts und Filmmuseums (DFF), sagt, deren Inhalt gesichtet und sortiert werden musste, um danach eine Auswahl für die Exposition zu treffen. Schell selbst habe sich nie wirklich mit dem beschäftigt, was nach seinem Tod passieren soll, erzählte seine Witwe Iva am Montag bei einem Pressetermin. Aber er habe immer gewollt, dass etwas von ihm bleibt. Dass seine Bilder gesehen werden und seine Gedanken in die Zukunft gehen.
Die Reise beginnt jedoch in der Vergangenheit. In einer Videoinstallation sind Ausschnitte aus Schells berühmtesten Filmen zu sehen, die regelmäßig stocken, um die Aufmerksamkeit so auf einen anderen Streifen zu lenken. Der Gast wird damit dort abgeholt, wo die meisten stehen, wenn sie an den Protagonisten denken. An den Wänden sind auf der einen Seite die Lebensdaten, auf der anderen Schells Rollen in Kinofilmen und Bühnenstücken sowie seine Auftritte in Talkshows aufgelistet. Dann geht es hinein in die Welt eines der wenigen deutschen Hollywood-Stars, der doch lange für viele nur »der kleine Bruder der großen Maria« war, der vier Jahre älteren Schwester, die ihm ins große Rampenlicht vorausging, während die anderen beiden Geschwister, Carl und Immaculata, obwohl ebenfalls Mimen, im Schatten zurückblieben. Vom ausliegenden roten Teppich aus sieht man noch einmal die Aufzeichnung der Oscarverleihung an Schell. Seine Rede ließ der damals 31-Jährige auf Vinyl pressen und mit dem Titel »Oskar (!) Speech« versehen. Eine Plattenhülle in der Vitrine beweist das.
Zudem hängt in »Hollywood«, wie der erste von acht Bereichen des Rundgangs heißt, ein Porträt von US-Kollege Spencer Tracy, das Schell sich überall, wo er hinzog, auf seinen Flügel stellte. Ach ja: Er war auch ein begabter Klavierspieler.
Familienidyll in Kärnten
Als Gegensatz zu diesem Glamour geht es direkt auf die Alm, ins Refugium der Familie im kärntnerischen Preitenegg. Ein 360-Grad-Schwenk auf das Anwesen, dessen Zufahrt die Einwohner des kleinen Ortes stets geheim hielten, offenbart das Idyll, das die Schells hier genossen. Man lernt die »Familie« kennen mit einem alten Möbelstück, einer Vitrine, in der sich allerlei wie eine Ehrenkarte für turnerische Leistungen findet, und an der Wand hängen Bilder des Schweizer Dramatikers Friedrich Dürrenmatt, der Schells Emotionen im Mienenspiel festhielt.
Inmitten der Werkschau gibt es einen Schwerpunkt zu Schells »Hamlet«-Darstellungen und -Inszenierungen, in dem er auch als Übersetzer und Modernisierer des Shakespeare-Textes erscheint. Man kann durch einen Teil seiner riesigen Autografensammlung berühmter Zeitgenossen blättern, anhand von Schriftstücken und Filmstreifen die Probleme nachvollziehen, mit denen er bei den Dreharbeiten zu »Peter der Große« zu kämpfen hatte, und Anmerkungen in Drehbüchern nachlesen.
Ein eigener, ganz weißer Raum ist dem Dokumentarfilm »Marlene« gewidmet. Das Puzzle betrachtend, das in diesem zusammengebaut wird und zerfällt, hört der Besucher die Aufzeichnungen der schwierig zu führenden Interviews mit der gereizten Filmdiva Dietrich, die ganz offensichtlich wenig Lust auf die Gespräche mit Schell hatte und erst dann von dem Projekt überzeugt war, als es 1986 für einen Oscar nominiert wurde.
Zum Schluss betritt man den »Boulevard«, einen Teppich aus Zeitschriftenartikeln, in denen Schell sich darstellen ließ, wie er sich gerne sah. Katja Sturm
»Maximilian Schell«. Bis 19. April 2020 im Deutschen Filmmuseum Frankfurt, Schaumainkai 41. Geöffnet Di.-So. 10- 18 Uhr, Fr. 10-20 Uhr. Telefon 0 69/9 61 22 02 20. Internet www.dff.film