07. November 2018, 22:03 Uhr

Eine Wahl, zwei Gewinner

Die Demokraten holen eine Mehrheit im Repräsentantenhaus, die Republikaner bauen ihren Vorsprung im Senat aus. Für Donald Trump liefern die »Midterms« ein gemischtes Ergebnis.
07. November 2018, 22:03 Uhr
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Von Thomas J. Spang

Nancy Pelosi weiß, wie es sich anfühlt, die Macht zu verlieren. Das musste sie bei den Zwischenwahlen vor vier Jahren erleben, als die Wähler die Partei des Präsidenten mit einem, wie Barack Obama damals sagte, »Schellacking« (Dt. »Abreibung«) bestraften. Die Demokraten verloren die Mehrheit im Repräsentantenhaus und Pelosi das Amt der »Speakerin« im Kongress.

Sie erinnert daran, als sie triumphierend vor einem Meer an Sternenbannern vor ihre Parteifreunde tritt. Zu Siegen sei ein schönes Gefühl, das stark mache, sagt sie in ihrer Rede kurz vor Mitternacht. Zu diesem Zeitpunkt hatten alle großen Fernsehsender in den USA die Demokraten als Sieger der Wahlen zum Repräsentantenhaus ausgerufen.

»Morgen wird ein neuer Tag in Amerika sein«, verspricht Pelosi mit Pathos. Es gehe nicht um Republikaner und Demokraten, sondern darum »endlich wieder die Kontrollen und Gegengewichte unserer Verfassung wiederherzustellen«. Nicht weniger als das hat sich Pelosi vorgenommen, die bei einer Bestätigung als »Speakerin« durch ihre Fraktion Geschichte schreibt.

Donald Trump verfolgte die Rede im Fernsehen aus dem Weißen Haus. Dort hatten er und First Lady Melania den Wahlabend mit Freunden verbracht; darunter Blackstone-Chef Stephen Schwarzman, Spielkasino-Mogul Sheldon Adelson und seine Wahlkampfmanager David Bossie und Corey Lewandowski.

Auch der Präsident fühlt sich als Gewinner. »Unglaublicher Erfolg heute Nacht. Danke an alle«, jubelte Trump auf Twitter und riet den Medien, seinen Sieg ausreichend zu würdigen. So wie Ben Stein, dessen Lob der Präsident in gewohnter Selbstüberschätzung zitiert. »Es ist dieser Trump-Zauber – Trump ist ein magischer Mann.« Der Präsident beeilte sich zudem, seine Lesart des Ausgangs der Wahlen bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Weißen Haus zu verbreiten.

Trump hatte die »Midterms« selber zu einer Abstimmung über seine Politik gemacht. Auf mehr als 30 Kundgebungen mobilisierte er seine Anhänger überall in den USA. Statt nach dem Terror gegen die Juden von Pittsburg und die Führer des liberalen Amerika seinen Ton zu mäßigen, drehte Trump dabei richtig auf. Er hetzte gegen die »Karawane« von Flüchtlingen, denunzierte seine Kritiker und verbreitete im Schnitt 30 Unwahrheiten am Tag.

Polarisierung überall

Bei den Wahlen zum Senat, die überwiegend in Staaten stattfanden, die Trump 2016 gewann, ging der Wahlkampf aus Hass und Angst auf. Von Florida über Missouri, Indiana und Tennessee bis Texas und North Dakota setzten sich seine Kandidaten durch. Insgesamt fiel das Urteil der Wähler bei dem Referendum über Trumps erste Amtsjahre gespalten aus. Der Senat bewegte sich mit mindestens plus vier Sitzen deutlich auf den Präsidenten zu, während sich das Repräsentantenhaus mit mindestens minus 35 Sitzen so deutlich von ihm entfernte.

Die überall spürbare Polarisierung bildet sich damit im neu gewählten Kongress ab. Das Haus wird demokratischer, der Senat republikanischer. Eine geteilte Nation hat nun eine geteilte Regierung.

Die Demokraten stützen sich laut Nachwahlumfragen auf eine Koalition aus Frauen, Wählern im urbanen und suburbanen Amerika, Akademikern, Minderheiten und jungen Menschen. Ihre künftige Fraktion spiegelt in ihrer Buntheit diese demografischen Realitäten wider.

Vor allem findet sich die Rekordzahl von über 100 Frauen im Kongress wieder, von denen die meisten für die Demokraten angetreten sind. Das der erste Sitz zur Rückeroberung der Mehrheit im Repräsentantenhaus in der Wahlnacht von der Demokratin Jennifer Wexton im zehnten Wahlbezirk von Virginia geholt wurde, steht als Symbol für die neue Macht der Frauen. Sie stellen nun erstmals in der Geschichte mehr als 100 Abgeordnete im Kongress.

Darunter finden sich mit der palästinensischstämmigen Rashida Tlaib in Michigan und Ilhan Omar aus Minnesota erstmals zwei Muslima, die ins Repräsentantenhaus einziehen. Alexandria Ocasio-Cortez macht Geschichte als mit 29 Jahren jüngste Abgeordnete und Deb Haaland aus New Mexiko als erste gewählte Vertreterin der Ureinwohner.

Die meisten Newcomer verdanken ihren Einzug dem Enthusiasmus der Frauen, die in den Vororten den Republikanern in Scharen den Rücken kehrten. Dabei handelte es sich oft um dieselben Wahlbezirke, die schon Hillary Clinton 2016 gewinnen konnte.

Die Republikaner können sich weiterhin verlässlich auf weiße Männer, die Landbevölkerung, religiöse und ältere Wähler stützen. Es sind dieselben demografischen Gruppen, die Trump ins Weiße Haus verhalfen. Hier räsoniert das Schüren von Fremdenangst, Nationalismus und Handelsschranken ganz besonders.

Test für Wählerkoalition

Das erklärt das geteilte Verdikt der »Midterms«. Da die Senatswahlen auf Ebene der Bundesstaaten abgehalten werden und in diesem Jahr die Mehrzahl der zur Wahl stehenden 35 Sitze in Staaten zur Wahl standen, die Trump gewonnen hatte, waren diese Rennen ein Test für seine Wählerkoalition. Der Präsident zeigte, dass er dieselben Staaten gewinnen kann, die ihm ins Weiße Haus verhalfen.

Im Repräsentantenhaus wird in 435 Wahlbezirken gewählt. Dadurch können die Demokraten auch in republikanischen Staaten städtische und suburbane Sitze gewinnen. Das hilft ihnen allerdings wenig bei Präsidentschaftswahlen, die im Prinzip 50 Mehrheitsentscheidungen in den Bundesstaaten sind.



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