Das Eis war schnell gebrochen. Als um 19.46 Uhr sich rund 50 Fans des Eishockey-Zweitligisten zum erstmals virtuell veranstalteten Fan-Talk des Fördervereins »Teufelskreis« eingeklinkt hatten, bekam Trainer Hannu Järvenpää von Moderator Christian Berger das erste Wort des Abends - und nutzte es zu einer Liebeserklärung an Bad Nauheim. Der finnische Trainer sorgte allerdings auch für den emotionalsten Moment des Abends, als er auf Nachfrage eines Fans über seinen kürzlich verstorbenen ehemaligen Teamkameraden und NHL-Legende Dale Hawerchuck sprach.
In zwei rund 45-minütigen Blöcken standen erst die sportlich Verantwortlichen um Matthias Baldys (Sportlicher Leiter), Järvenpää und dessen »Co« Harry Lange, anschließend Geschäftsführer Andreas Ortwein und Geschäftsleiter Dag Heydecker Rede und Antwort zu verschiedenen Themen. Von den Fans gab es viel Lob für die sportliche Leistung, zudem wurde intensiv über eine am Mittwoch gestartete Fan-Aktion gesprochen.
Die wichtigsten Themen des Abends:
Järvenpääs Liebeserklärung: »Honestly«, sagte der EC-Trainer, und legte zum Beweis die Hand aufs Herz: »Ich mag die Stadt, sie ist nicht zu groß und nicht zu klein. Bad Nauheim ist nach wenigen Monaten schon eine zweite Heimat für mich geworden.« Auch über die Arbeit innerhalb der Organisation sprach Järvenpää in den höchsten Tönen. Das Lob gaben ihm die Fans umgehend zurück.
Sportlich erfolgreich: Fast alle Fans, die virtuell die Hand für eine Wortmeldung hoben, schickten ein dickes Lob hinüber ins Colonel-Knight-Stadion. Der Mannschaft zuzusehen, mache viel Spaß, das Vertrauen in die jungen Talente stößt in Fankreisen auf Begeisterung. Umso größer sei die Wehmut, nicht live im Stadion dabei sein zu können, war der Tenor. »So wie es sich bislang entwickelt hat, kann man zufrieden sein. Zehn neue Spieler, ein neuer Trainer, dass alles so früh schon so ineinandergreift, freut mich«, sagte auch Baldys. Allerdings warnte Harry Lange, in seinem dritten Jahr als Co-Trainer, auch vor zu viel Euphorie: »Vergangene Saison sind wir ähnlich gut gestartet, wir wissen alle noch, wie es am Ende der Saison aussah. Aber: Die Qualifikation für die Playoffs ist, wenn alle gesund und fit bleiben, realistisch.«
Digitale Zuschauerzahlen: Die DEL 2-Verein haben sich bewusst dazu entschieden, keine Buchungszahlen der Spiele auf Streaming-Plattform »Sprade TV« zu veröffentlichen oder sie gar als eine Art Zuschauerzahl in den offiziellen Spielbericht einzutragen. Innerhalb der Liga habe man »intensiv« darüber diskutiert, sagte Ortwein und gab dann zumindest einen kleinen Einblick, verbunden mit einer Hoffnung: »Wir hatten in den Hauptrunden-Heimspielen jeweils rund 1500 Buchungen, inklusive der rund 450 Dauerkartenbesitzer. Am Sonntag knacken wir im Heimspiel gegen Frankfurt hoffentlich die 2000er-Marke«, sagte Ortwein. Es sei aber schwer, daraus abzuleiten, wie viele Personen tatsächlich vor den Bildschirmen sitzen.
Verzicht auf Dauerkarten-Anspruch: Die Aktion war erst wenige Stunden alt, aber schon am Abend wurde viel darüber diskutiert. Deutschlandweit haben Fanclubs, Fanprojekte und andere Initiativen dazu aufgerufen, auf den Anspruch der Dauerkarte für die laufende Saison zu verzichten (wir berichteten). Franzisco Lucio Tippmann, Fan-Beauftragter beim EC und Vorsitzender vom Fanclub »Rote Teufel«, sowie Tim Matras als Vorsitzender vom Förderverein »Teufelskreis« stellten das Projekt kurz vor. »In der Geschäftsstelle sind bis zum Abend bereits zehn Verzichtserklärungen eingegangen«, berichtete Matras. Tippmann ergänzte: »Wenn wir etwas in Bad Nauheim gelernt haben, dann dass wir immer auf die Solidarität der EC-Fans zählen können.« Viele weitere Verzichtserklärungen sollen folgen. Ortwein und Heydecker zeigten sich äußerst dankbar, zumal erst zu Saisonbeginn über eine T-Shirt-Aktion 7000 Euro an Spenden von den Fans aufgebracht wurden.
Ortwein erklärte: »Wir haben die Hoffnung, dass im Januar oder Februar wieder Zuschauer im Stadion dabei sein können. Jetzt schon Dauerkarteninhaber zu entschädigen, macht daher keinen Sinn, weil noch nicht absehbar ist, wie die Lage sich entwickelt. Wir haben aber gesagt: Jeder, der eine Dauerkarte kauft und kein Spiel sieht, wird kein Geld verlieren. Wer uns durch den Verzicht unterstützen kann, hilft uns sehr, aber wir haben logischerweise Verständnis, dass sich das nicht jeder leisten kann.«
Die Stadionfrage: »Der Ball liegt derzeit bei uns«, sagte Ortwein, aber auch weil die Stadt Bad Nauheim derzeit aufgrund anderer Baustellen (u. a. Therme und Usa-Wellenbad) schlicht keine finanziellen Mittel habe, um die Planungen für ein neues Eisstadion voranzutreiben. Also hat Ortwein in Eigenregie ein Projektteam aus mehreren Unternehmen aus der Rhein-Main-Region zusammengestellt, die am 11. Dezember im Rahmen eines Workshops einen Leistungskatalog zusammenstellen wollen - teilweise als Sponsoringleistung. Ortwein: »Das Thema schreitet im Hintergrund voran.« EC-Fan und FDP-Bundestagsabgeordneter Peter Heidt, der sich auch in den Talk eingewählt hatte, sprach mit viel Optimismus über das Projekt und ließ gar das Stichwort »erstes CO2-freies Stadion in Europa« fallen.