Dem aufmerksamen Leser wurde Sarah Wiesner spätestens am 27. September letzten Jahres bekannt: Da netzte die 15-jährige beim 5:1-Sieg der SG Eintracht Frankfurt gegen den SC Dortelweil gleich zwei Mal - einmal vom Punkt und einmal aus dem Spiel. Dabei macht die Rodheimerin schon deutlich länger auf sich aufmerksam: Seit fünf Jahren steht sie für die Jugend der SGE auf dem Platz und spielt aktuell mit der U17 ihre zweite Saison in der Bundesliga Süd. Ferner läuft sie regelmäßig für die Hessenauswahl auf. Ihre Stärken: Schnelligkeit, Übersicht, Ausdauer. Sarah ist eine echte Allrounderin, kann auf dem Platz quasi überall eingesetzt werden. Und auch abseits des Feldes ist Vielseitigkeit gefragt: Wenn es um die Koordination von Schule, Fußball und Familie geht.
Denn wenn nicht gerade ein Virus die Welt lahm legt, gestaltet sich der Alltag gerammelt voll. Früh morgens der lange Weg bis zur Ernst-Ludwig-Schule nach Bad Nauheim, nach der Schule schnell Essen und Hausaufgaben, dann der Weg zum Training nach Frankfurt und abends wieder zurück. Am Wochenende die Spiele, gerne auch mal in München oder Freiburg.
Klingt stressig - und fordert Organisation. »Ich mache dann mal die Hausaufgaben im Auto oder esse dort. Bei Auswärtsfahrten habe ich auch schon im Bus gelernt«, sagt Sarah.
Corona samt Lockdown bringt nun allerdings Zeit - es wird online und individuell trainiert, die Bildung läuft ja per Homeschooling. Da fällt es auch leichter, die Prioritäten gerade zu rücken, denn die Antwort auf die Frage, was bei so einem Alltag überhaupt Vorrang hat, ist gar nicht so leicht zu beantworten: »Am wichtigsten ist erstmal die Familie, da ich diese bei der wenigen Freizeit nicht so viel sehe. Danach hat erstmal die Schule vor dem Fußball Vorrang«, sagt Sarah.
Und doch ist es gerade der Sport, der in den vergangenen Jahren viel Zeit des Lebens eingenommen hat: Mit zehn Jahren kam der Wechsel zu Eintracht Frankfurt. Die SGE war über seine Fußballcamps auf Sarah aufmerksam geworden und hatte sie zum Probetraining eingeladen. Auch der 1. FFC hatte Interesse, doch bei der Eintracht schien die Atmosphäre besser, familiärer. Und der Zusammenhalt in der Mannschaft sticht und stach heraus, die Freude sehr wichtig.
Sie musste sich durchboxen
Doch der Schritt nach Frankfurt bedeutete nun vor allem eines: Veränderung. Sarah rückte mit zehn Jahren in die U15 - eine U13 gab es nicht - kickte nicht mehr wie bei der SG Rodheim ausschließlich mit Jungs, wurde im Training mehr gefordert. »Am Anfang war ich da schon ganz schön K.o. nach den Einheiten«, sagt sie. Es galt, sich erstmal »durchzuboxen«. Wie schon so oft: Ganz am Anfang, um beim Bruder im Verein mitspielen zu dürfen; gegen die Jungs in Rodheim, um nicht »belächelt« zu werden« und nun als eine der Jüngsten in der U15 der SGE.
Doch die Schritte lohnten sich und Sarahs Talent wurde immer deutlicher. Viel Spielzeit in der U15 und sogar die Rolle der Kapitänin, mit 14 der Sprung in die U17 der Eintracht. »Es war eine schöne Bestätigung für mich, so viel Spielzeit zu bekommen. Letzte Saison habe ich dann auch die meisten Tore in der U17 geschossen, das zeigt einem natürlich auch, dass es läuft.«
Viele Tore. Das lässt schnell vermuten: Sarah ist Stürmerin. Doch die Frage nach ihrer Position kann sogar sie selbst kaum beantworten: »Auf den Flügeln kann ich meine Schnelligkeit ausspielen, hinten kann ich viel dirigieren und sonst kann ich viel durch meine Laufleistung erreichen«, sagt Sarah Wiesner. Trainer Wolfgang Schmidt nutzt das gerne aus und rotiert viel.
Und auch Leaderqualitäten bringt Sarah mit auf den Platz, zeigt keine Scheu und behält vor allem den Überblick. Mit der Eintracht ging es in der aktuellen Saison schon bis auf Platz zwei - allzu gerne würde nicht nur Sarah bei einer Fortführung der Saison noch einen Rang nach oben springen.
So die nahe Zukunft. Und die ferne? »Ich würde gerne in den Profibereich gehen und vielleicht auch im Ausland spielen. Ich plane, mein Abitur zu machen und danach eventuell zu studieren«, sagt sie. Dabei soll allerdings eine Sache nicht zu kurz kommen: Der Spaß. »Wir machen da keinen Druck, die Motivation muss da sein. Da ist die Zukunft erstmal schwer zu planen«, sagt Vater Frank Wiesner.
Besonders auf die Gesundheit soll geachtet werden. Bisher lief auch da allerdings alles glatt, die Karriere nimmt ihren Lauf und hat ihren Höhepunkt hoffentlich noch vor sich.