Andrea Bentrup-Stilgenbauer vom Kreisreiterbund Wetterau hat trotz der schwierigen Lage im hiesigen Turniergeschehen ihren Humor nicht verloren. »Wir versuchen, in der Glaskugel zu lesen«, sagt die Sportwartin. Denn im Moment ist die Vorbereitung von Wettbewerben im Reitsport ein Vabanque-Spiel.
Aufgrund der kurzfristigen Entscheidungen der Politik und der ungewissen Infektionszahlen zum Zeitpunkt des Termins, ist die Ausrichtung von Reitturnieren derzeit kompliziert. Zudem ist eine Teilnahme von Amateuren nicht gestattet. Ohnehin wäre kein Publikum zugelassen, was das Gewinnen von Sponsoren erschwert. »Viele Vereine sind der Meinung, ohne Zuschauer lohnt sich der Aufwand nicht«, betont Stilgenbauer. Auch die Motivation der Helfer, die notwendig sind, lasse stark nach, wenn zwar die Profi-Sportler starten dürfen, die Kinder und Jugendlichen des eigenen Vereins aber nicht. »Unsere traditionellen Jugendturniere im Frühjahr haben wir in den Sommer verschoben, aber ob und in welcher Form sie dann stattfinden, ist unklar«, sagt Stilgenbauer. »Ich möchte nicht mit den Politikern tauschen, die jetzt zu entscheiden haben.« Durch den verkürzten Nennungsschluss und die Online-Turnierverwaltung seien allerdings kurzfristige Absagen möglich. »Wir bleiben flexibel.«
Mit einem Mitgliederschwund haben die heimischen Vereine aber nicht zu kämpfen. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Sportpartner Pferd trotz Pandemie umsorgt, gepflegt und auch bewegt werden muss. »Wir in Hessen können uns glücklich schätzen, dass wir in Reithallen trainieren dürfen. In vielen anderen Bundesländern ist das nicht der Fall«, weiß Stilgenbauer. Die Sportstätten der Pferdesportler seien in der Regel gut belüftet.
Außerdem kann Einzelunterricht erteilt werden und auch Schulpferdereiter kommen wieder auf ihre Kosten, da Kinder unter 14 Jahren in Gruppen unterrichtet werden dürfen. »Wir erfahren große Unterstützung durch die Eltern. Die Reitschüler halten sich penibel an die Maskenpflicht. Manchmal muss man direkt darauf hinweisen, dass sie die Maske auf dem Pferd absetzen können«, lacht Stilgenbauer. Und die Reiter lassen sich auch von widrigen Umständen nicht abschrecken: »Als kein Unterricht stattfinden durfte, haben erfahrene Eltern von Reitschülern das gesattelte Pony am Hoftor abgeholt und sind mit ihrem Kind spazieren gegangen«, erzählt Stilgenbauer.
In den Vereinen im Kreis findet derzeit auch der eine oder andere Springlehrgang statt. »Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, die Reiter starten nacheinander und im Übrigen ist der Sicherheitsabstand zwischen den Pferden für Reiter eine Selbstverständlichkeit«, erklärt die Sportwartin. Trainerfortbildungen seien in diesem Jahr abgesagt worden, »aber unsere Ausbilder sind mit Übungseinheiten für die Verlängerung ihrer Lizenzen gut versorgt. Wir haben im letzten Jahr noch im Januar und Februar einige Weiterbildungen angeboten.«
Andernorts werden sogenannte Online-Turniere ausgetragen. Die Teilnehmer reiten auf der eigenen Anlage eine vorher zugeschickte Dressuraufgabe, die auf Video aufgezeichnet und hochgeladen wird. Turnierrichter bewerten den Ritt und schicken das Protokoll zu. Eine Option für den Kreisreiterbund? »Ich persönlich stehe dem skeptisch gegenüber«, sagt Stilgenbauer. »Allein schon aus Tierschutzgründen. Man kann auf so einem Video nicht erkennen, ob das Pferd nicht schon stundenlang immer wieder dieselbe Runde gedreht hat, bis das gewünschte Ergebnis aufgenommen wurde.«
Bleibt also für die heimischen Pferdesportbegeisterten die Hoffnung, dass sie bald wieder ihre Leidenschaft vor Publikum und im Wettkampf gegeneinander ausüben dürfen. In der realen Welt. Auf einem Reitplatz. Mit einer Bewertung, die ohne Glaskugel zustande kommt. FOTO: PV