Dieses Probleme kennt wohl jeder Sportverein: Es ist schwierig, engagierte Menschen zu finden, die eine Gruppe leiten oder den Vorstand bei seinen Aufgaben unterstützen. Das ist auch beim TV 1860 Lich so, der ein umfangreiches Angebot bietet und mit 1870 Mitgliedern der sechstgrößte Verein im Sportkreis Gießen ist. Doch jammern oder nur im eigenen Dunstkreis um neue Leute werben, ist den Lichern nicht genug. Sie haben das Projekt »Aktion 2022 - Fit in die Zukunft« gestartet.
Dabei geht es laut der Vorsitzenden Brigitte Freitag und ihren Mitstreiterinnen - der geschäftsführende Vorstand des TV besteht ausschließlich aus Frauen - keinesfalls nur darum, neue Mitarbeiter zu finden. Sondern beispielsweise auch darum, ihren Mitgliedern ein zeitgemäßes Sport-angebot zu unterbreiten.
»Wir wollen etwas lostreten«, sagt Brigitte Freitag. »Vor allem im Kinder- und Jugendbereich ist es unglaublich schwierig, Übungsleiter zu finden, die tagsüber Zeit haben. Uns fehlen vor allem Leute, die in Kindergärten und Schulen gehen«, erklärt die Vorsitzende. Viele der engagierten Übungsleiterinnen und Übungsleiter stünden frühestens ab 16.30 Uhr zur Verfügung - und durch gestiegene Anforderungen im Beruf müssten viele Angestellte zudem zeitlich flexibler als früher sein. Das wiederum erschwert die Suche nach engagierten Menschen, die bereit sind, eine Mannschaft zu betreuen oder eine Gruppe zu leiten.
»Wir wollen uns insgesamt auf breitere Füßen stellen«, sagt Brigitte Freitag. Deshalb möchte der Verein Kandidaten bei der Ausbildung in den Fachverbänden unterstützen und beim Sportkreis anregen, Kurse auch in der Region anzubieten. »Heute ist es im Übungsleiterbereich so, dass es für viele ein berufliches Standbein auf selbstständiger Basis ist. Diese Übungsleiter bieten in verschiedenen Vereinen ihre Kurse an«, erklärt sie und hofft, dass vielleicht aus den eigenen Reihen Menschen Verantwortung übernehmen und bereit sind, ein-, zweimal pro Woche eine Gruppe zu leiten.
Es fehlt an Sportstätten
Doch nicht nur (angehende) Übungsleiterinnen und Übungsleiter werden in Lich mit offenen Armen empfangen. »Wir brauchen Menschen, die betreuen, organisieren, managen, verwalten, trainieren, anleiten, feiern, schreiben, reden und vieles andere mehr können«, heißt es auf der Internetseite des Vereins. Und so wirbt Freitag beispielsweise auch für den Vereins-manager-Kurs des Landessportbundes. »Der ist total interessant, mit spannenden Referenten. Da lernt man viele Dinge, die man auch beruflich gut gebrauchen kann.«
Ein weiteres Problem der Licher ist die Tatsache, dass die Infrastruktur in den vergangenen Jahren nicht mit dem starken Bevölkerungswachstum in der Stadt an der Wetter Schritt gehalten hat. »Die letzte Sporthalle, die eröffnet wurde, ist die Dietrich-Bonhoeffer-Halle. Und das war 1978«, sagt Brigitte Freitag. Seitdem habe nicht nur die Einwohnerzahl deutlich zugenommen, auch die Vereinslandschaft und das Sportangebot sind gewachsen. Das hat aus Sicht des TV dazu geführt, dass es zu wenig Sportstätten gibt. Um die Situation zu verdeutlichen, nennt Freitag zwei Beispiele: »Heute treiben - Gott sei Dank - viele Senioren im Gegensatz zu früher Sport, und manche kommen erst mit 60 oder 65 in den Sportverein. Aber in die Schulsporthallen, die wir früher meist schon ab 13 Uhr nutzen konnten, kommen wir erst ab 16.30 Uhr rein, weil sie die Schulen nachmittags selbst für ihr Angebot benötigen.«
Somit konkurrieren auch in Lich verschiedene Vereine vor allem in den Wintermonaten um die raren Hallenzeiten in der Dietrich-Bonhoeffer- und der kleineren Erich-Kästner-Halle, in der Ballsportwettbewerbe kaum möglich sind. Der TV-Vorstand hat wenig Hoffnung, dass sich die angespannte Hallensituation in absehbarer Zeit ändern wird. »Die Basketballer träumen von einer eigenen Halle, der VfR träumt von einer Soccerhalle - vielleicht kommen wir mit allen Vereinen zu einer gemeinsamen Lösung«, denkt Freitag über den eigenen Tellerrand hinaus.
Es fehle in Lich vor allem eine weitere Halle, die auch für Ballsportarten genutzt werden könne. Derzeit kommt noch hinzu, dass sich in Lich die Sanierung des Bürgerhauses in die Länge zieht. »Vor nächstes Jahr können wir da sicher nicht rein«, meint Freitag - und Ballsport sei dann dort ohnehin nicht mehr möglich. Zudem werde der Saal des Öfteren vermietet, zum Beispiel für Tagungen, sodass der Verein dann das Bürgerhaus gar nicht nutzen könne. »Mit kleineren Räumlichkeiten sind wir gut bedient«, sagt Freitag, zumal der Turnverein zwei Räume angemietet hat, in denen Reha- oder Seniorensport angeboten wird.
Angebot soll Trends berücksichtigen
Die TV-Verantwortlichen suchen nun auch in Gesprächen mit den Stadtverantwortlichen nach Lösungen, um zusätzlich Outdoor-Sport anzubieten. Überhaupt: Das Angebot des Vereins soll sich verändern und noch stärker auf die Bedürfnisse der Mitglieder zugeschnitten werden. Sie können über ein Formular auf der Internetseite ihr Wünsche äußern. »Im Sport gibt es ja immer neue Trends. Das hat man in der Pandemie gesehen, als plötzlich ganz viele Hula-Hoop gemacht haben. Wir wollen nicht auf jeden Zug aufspringen, aber wenn neue Ideen kommen, sind wir gerne dabei. Oder vielleicht gibt es Übungsleiter, die bei uns eine neue Sportart anbieten wollen«, sagt Freitag.
Der TV Lich ist für vieles offen - wie wohl jeder Verein vor allem für engagierte Menschen, die Verantwortung übernehmen möchten.