Ein bisschen kratzig ist die Stimme von Andreas Joneck am Montag. Die Feier des Champions-Cup-Titels hat beim Geschäftsführer des RSV Lahn-Dill Spuren hinterlassen - genauso wie die Ausrichtung des dreitägigen Wettbewerbs in der Rittal-Arena. »Momentan merke ich nicht die Müdigkeit, momentan schwebe ich noch durch die Arena«, sagt er lachend. Das Turnier kann er als vollen Erfolg verbuchen - sportlich durch den 71:67-Finalerfolg seines RSV am Sonntagabend über die Thuringia Bulls sowieso. Aber auch organisatorisch, denn trotz aller Risiken und Unwägbarkeiten ging der Wettbewerb reibungslos über die Bühne.
»Es hätte nicht besser laufen können. Wir haben knapp 1200 Tests durchgeführt - jeder einzelne war negativ. Bei einer Inzidenz von 200, hätten rechnerisch ja schon bei 1000 Tests zwei Leute positiv sein müssen. Wir liegen da weit unter dem Schnitt, was zeigt, dass der Sport kein Treiber der Pandemie ist und dass unser Konzept in Sachen Hygiene, Wegeführung, Abschottung oder Teststrategie voll aufgegangen ist«, stellt Joneck zufrieden fest. Mit seiner 40-köpfigen Helfer-Crew hat er viel Lob von allen Seiten für die Ausrichtung bekommen.
Der RSV-Geschäftsführer betont, wie wichtig dieser Champions Cup auch in Zeiten der Pandemie für die Sportart und die Vereine war. »Unser letzter europäischer Auftritt war Ende Januar 2020 in Bilbao, der nächste wäre erst nächstes Jahr gewesen. Wenn wir jetzt nicht gespielt hätten, hätte es 24 Monate keinen Rollstuhlbasketball auf europäischer Ebene gegeben. Da darfst du überhaupt nicht darüber nachdenken«, sagt Joneck. »Da hättest du die Bindung zu deinen Zuschauern, zu den Fans, zu den Sponsoren verloren. Wir mussten der Außenwelt zeigen, dass wir noch da sind.«
Vereine greifen in die eigene Tasche
Deshalb haben die Mittelhessen den Aufwand der Ausrichtung auf sich genommen - und der war im Vergleich zu normalen Zeiten um ein Vielfaches höher. »Wir hatten ja für diese Situation keine Pläne in der Schublade. Das war mit den auch begrenzten personellen Mitteln schon eine extreme Herausforderung«, sagt Joneck. Eine kurzfristige Gesetzesänderung zum Beispiel mit einem Reiseverbot für die spanischen Teams hätte alle Planungen genauso über den Haufen werfen können wie ein positiver Corona-Test bei einem der beteiligten Teams. Joneck: »Wir haben schon am Donnerstag in dem Meeting mit den Team-Managern klar definiert: Wenn wir die zwölf Spiele in den drei Tagen durchbekommen, wenn wir keinen Trouble mit Corona kriegen, dann haben wir neun Sieger: die acht Mannschaften und die Sportart.«
Schon in Planungsphase hatten sich alle beteiligten Teams darauf geeinigt, die Risiken (zum Beispiel Stornogebühren für Hotels und Flügen durch eine eventuell kurzfristige Absage) und die Kosten der rund 100 000 Euro teuren Veranstaltung zu verteilen. So steuerten jeder Klub und der Verband unter dem Strich eine »gute, mittlere vierstellige Summe« bei, um das Turnier spielen zu können.
Beeindruckend war aber nicht nur die Organisation, sondern auch, wie der RSV auf dem Parkett aufgetreten ist - vor allem in der Schlussphase des Finals, als das Team gegen die Bulls mit dem Rücken zur Wand stand. Aber die Mittelhessen konterten im Stile einer Spitzenmannschaft. Nach dem 59:63-Rückstand sprach vieles für den Rivalen aus Thüringen. Doch in der Auszeit dreieinhalb Minuten vor dem Ende brachte Trainerin Janet Zeltinger ihr Team wieder in die Spur. »Unser Plan war es, ruhig zu bleiben. Wir hatten viele Optionen, mit Michael Auprince auch einen Großen auf dem Feld«, schilderte Zeltinger hinterher nüchtern, was sie ihrem Team mit auf den Weg gab. Und eben jener Auprince war es, der sechs seiner zehn Zähler bei nur elf Minuten Einsatzzeit in der entscheidenden Phase erzielte - und auch die Freiwürfe 2,9 Sekunden vor dem Ende verwandelte der Australier nervenstark zum 71:67-Endstand. Dabei war Auprince erst spät in der zweiten Hälfte eingewechselt worden.
Sonderlob für Böhme und Serio
Dies bestätigte einmal mehr: Ein große Plus des RSV Lahn-Dill ist sein großer und ausgeglichener Kader. »Wir haben so viel von unserer Bank bekommen, das war so wichtig für uns. Wir haben immer mit viel Vertrauen in die jeweiligen Spieler gewechselt«, sagt auch Janet Zeltinger. »Tommy Böhme und Steven Serio haben ein überragendes Turnier gespielt. Aber ob ›Aupi‹, Ian Sagar, der uns gegen Gran Canaria gerettet hat, Christopher Huber oder Catharina Weiß, die ihr erstes Champions-League-Turnier gespielt hat, und Annabell Breuer - ich könnte jetzt alle Spieler aufzählen -, sie alle haben einen großen Anteil an diesem Titel«, sagte sie stolz nach ihrem ersten Titelgewinn als Trainerin. Und Janet Zeltinger vergisst dabei, dass sie und ihr »Co« Günther Mayer auch nicht ganz unbeteiligt waren.
»Unsere Trainerteam, zu dem ja auch unser Videoanalyst Björn Lohmann gehört, macht einen fantastischen Job. Janet und ›Gü‹ hatten im letzten Sommer die Möglichkeit, das Team komplett zusammenzustellen. Sie haben es geschafft, diese Mannschaft zu einer Einheit zusammenzuschweißen«, sagt Joneck anerkennend: »Jeder Spieler ordnet sich ohne Murren den gemeinsamen Zielen unter.«
Nach dem großen Triumph blieb das Team am Sonntagabend noch in der Blase und stieß im Hotel gemeinsam auf den ersehnten Titel an. »Wir haben das ausgiebig gefeiert. Das ist auch richtig so, auch wenn wir in der entscheidenden Meisterschaft-Woche sind. Diese Emotionen muss man ausleben, dafür hat man gearbeitet und diese Emotionen stärken ja auch das Wir-Gefühl in der Mannschaft«, berichtet Joneck am Montag.
Aber nur genießen ist nicht das Ding der Trainerin. Zwei Stunden nach dem Coup sagte die 43-Jährige während der Feierlichkeiten: »Wir überlegen schon, was wir am Samstag noch besser machen können.« Da steigt bei den Thuringia Bulls in Elxleben die erste von maximal drei Partien um die deutsche Meisterschaft. Und Janet Zeltinger will dann mit ihrem Team am 15. oder spätestens 16. Mai in der Rittal-Arena in den Spielen zwei oder drei der »Best of three«-Serie mit ihrem Team den nächsten Titel feiern.