Auch für die Trainer der heimischen Verbandsligisten war die Entscheidung des Hessischen Fußballverbandes (HFV), die Saison 2020/21 ohne Wertung abzubrechen, angesichts der derzeitigen Pandemie-Lage alternativlos. Der Blick geht nun nach vorne, auch wenn Licht am Ende des Tunnels bislang nur spärlich zu erkennen ist. Diese Zeitung sprach mit den Trainern über Saison- und Trainingsplanung in Zeiten von Corona. Einen Ansprechpartner beim FC Gießen II gab es allerdings nicht.
Wie bewerten Sie die Entscheidung des HFV, die Saison abzubrechen?
Sherwin Rahmani (FC Turabdin/Babylon): »Die Gesundheit steht über allem. Daher war die Entscheidung folgerichtig, um kein Risiko eingehen zu müssen. Nur die Hinrunde ab Mai mit allen Mitteln durchzudrücken, wäre keine Option gewesen. Auch wenn Spielordnung und die Schnittstelle zwischen Hessenliga und Regionalliga gewisse Vorgaben machen, stellt sich aber die Frage, ob der Abbruch mit Annullierung der Saison die richtige Entscheidung war oder ob man nicht eine spätere Fortsetzung wie in Bayern hätte ins Auge fassen sollen. Es stellt sich die Frage, ob ab Juni eine vernünftige Vorbereitung und ab August eine reguläre Saison möglich sein werden. Die Spielklasse wird mit 38 Spielen weiter aufgebläht sein und es werden viele eng-lische Wochen vor uns stehen. Bei einer Fortsetzung der bisherigen Spielzeit wären die bislang erzielten Ergebnisse nicht für die Katz gewesen und würden in die Entscheidung einfließen können.«
Oliver Dönges (SG Kinzenbach): »Ich finde die Entscheidung richtig, denn die Verletzungsgefahr wäre nach der langen Pause zu groß gewesen, wenn man die (Hin-)Runde in unzähligen englischen Wochen hätte durchpeitschen wollen.«
Daniel Schäfer (FC Cleeberg): »Die Entscheidung ist alternativlos. Elf Spieltage geben kein entscheidendes Bild darüber ab, wie Auf- und Abstiegsfragen zu bewerten sind. Es ist aber schade für alle Mannschaften, die oben stehen und bis dato eine gute Runde gespielt haben.«
Thorsten Schäfer (SC Waldgirmes II): »Diese Entscheidung war leider alternativlos. Bei so hohen Infektionszahlen wie im Moment wäre es nicht vertretbar gewesen, Fußballspiele wieder zuzulassen. Wir hätten die Spielzeit gerne fortgesetzt, nachdem es bei uns sportlich so gut gelaufen ist.«
Wie ist die Stimmungslage bei Ihren Spielern und im Verein?
Rahmani: »Auch wenn wir uns der Richtigkeit der Entscheidung bewusst sind, ist die Enttäuschung als Sportler sehr groß. Wir sind nun bereits zum zweiten Mal in Folge um die Chance beraubt worden, unsere Ziele zu erreichen. Auch wenn ich aus meinem Frust keinen Hehl mache, möchte ich dies allerdings nicht als Schuldzuweisung an die handelnden Personen in den verantwortlichen Gremien verstanden wissen. Die Spieler üben ihr Hobby mit großer Leidenschaft aus und sind nicht glücklich darüber, dies seit so langer Zeit nicht tun zu dürfen.«
Dönges: »Auch wenn wir gerne Fußball gespielt und uns dem sportlichen Wettbewerb gestellt hätten, haben Spieler und Vereinsverantwortliche gleichermaßen Verständnis für die getroffene Entscheidung.«
Daniel Schäfer: »Grundsätzlich sind wir traurig, aber auch alle Realisten im Wissen, dass es wichtigere Dinge in dieser Zeit gibt als den Amateurfußball. So lange Kinder nicht regelmäßig in die Schule gehen können, können wir nicht in Mannschaftsstärke auf dem Platz trainieren und spielen.«
Thorsten Schäfer: »Wir sehen dies im Moment relativ nüchtern, da keiner weiß, wann und wie es weitergehen wird. Es ist schade, da den jungen Spielern durch die Pandemie bereits ein ganzes Jahr genommen wurde. Dies tut in ihrer Entwicklungsphase sehr weh.«
Wie laufen nun die Personalplanungen für die neue Saison? Welche Probleme treten hierbei auf?
Rahmani: »Wir sind dran, auch für die kommende Saison eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen. Die Gespräche laufen, wenngleich derzeit noch nichts Konkretes zu vermelden ist. Dies liegt vor allem an der Ungewissheit, wann die neue Saison starten und mit welchem Modus gespielt werden soll.«
Dönges: »Aus dem Kader der letzten Spielzeit haben bereits 14 Spieler zugesagt. Hier hat die Entscheidung des HFV, die Runde ohne Wertung abzubrechen, für den Verein, aber auch für die Spieler Planungssicherheit gegeben.«
Daniel Schäfer: »Die Personalplanung hat unsere Sport-liche Leitung um Dieter Fett und Steffen Viehmann sehr früh in die Hand genommen und bereits im Januar abgeschlossen. Für unsere Langzeitverletzten Marvin Gath und Pascal Kühn war die lange Auszeit gut und sie werden im Sommer wieder einsteigen. Unser Kader ist groß und jung. Wir wollen kontinuierlich weiter zusammenarbeiten und uns weiterentwickeln.«
Thorsten Schäfer: »Die Sportliche Leitung um Björn Velten und Michael Hofmann war in den letzten Wochen und Monaten sehr fleißig. Sie haben es geschafft, den ganzen Kader zusammenzuhalten. Allerdings wollen wir diesen im Gegensatz zur Abbruchsaison noch etwas verkleinern. Daher ist noch mit dem einen oder anderen Abgang zu rechnen.«
Gibt es bereits konkrete Zugänge bzw. Abgänge?
Dönges: »Bislang können wir drei Neuzugänge vermelden. Emre Yener und Ertugrul Gündüz (beide vom SV Volpertshausen), die bereits schon einmal für uns aktiv waren, kehren zur SGK zurück. Zudem wird sich Daniel Horn von der TSG Leihgestern uns anschließen. Marvin Helm wird als Spielertrainer zur SG Grünberg/Lehnheim/Stangenrod wechseln.«
Thorsten Schäfer: »Bislang haben wir mit Finn Löhr, Roger Adamski, Lukas Stefanowski und Kai Mazell als Torwart vier Spieler, die aus der eigenen U 19 zu den Aktiven stoßen werden.«
Wie wurden/werden Neuzugänge/Talente aus Juniorenteams/unterklassigen Vereinen durch Sie gesichtet?
Rahmani: »Durch den fehlenden Spielbetrieb sind die üblichen Spielbeobachtungen nicht möglich gewesen. Dies macht die Aufgabe, junge, talentierte Spieler zu finden, nicht einfacher. Viele der Jungs sind aber nicht völlig unbekannt und standen irgendwie schon mal auf dem Zettel.«
Dönges: »Aufgrund der fehlenden Möglichkeit, mögliche Kandidaten aktuell selbst in Augenschein nehmen zu können, muss man sich auf Informationen von Trainerkollegen und seine eigenen Wahrnehmungen aus der Vergangenheit vertrauen.«
Daniel Schäfer: »Hier setzen wir seit Jahren auf die guten Kontakte von Wolfgang Schmidt, auch wenn es für ihn aufgrund der fehlenden Spiele in dieser Saison schwerer war als üblich, sich auf den Plätzen ein Bild zu machen.«
Thorsten Schäfer: »Wir suchen noch junge, talentierte Spieler. Externe Spieler ohne Beobachtung oder Probetraining zu finden, ist aber schwierig.«
Welche Gedanken haben Sie sich bereits für die Vorbereitung auf die neue Saison gemacht und was ist nach der langen Pause bei der Trainingssteuerung zu beachten?
Rahmani: »Die Trainingssteuerung wird eine zentrale Rolle einnehmen, die über Erfolg oder Misserfolg in der neuen Saison bestimmen wird. Viele Spieler haben während der Pause im zyklischen Bereich mit Joggen und Fahrradfahren gearbeitet. Von einer fußballspezifischen Belastung sind die Spieler aber weit weg. Diese an ihre Belastungsgrenze heranzuführen, wird eine Herausforderung für mich als Trainer werden. Wir müssen behutsam vorgehen, um Verletzungen vorzubeugen. Die Vorbereitungszeit wird sich von vier bis sechs Wochen auf sechs bis acht Wochen ausdehnen müssen, ehe man dann wieder Vollgas geben kann.«
Dönges: »Eine richtige Planung habe ich noch nicht in Angriff genommen, da wir noch nicht wissen, wann es wieder losgehen kann. Nach einer so langen Pause wird man das Training vernünftig steuern und die Spieler behutsam aufbauen müssen.«
Daniel Schäfer: »Die neue Vorbereitung wird sehr spannend und schwierig. Nach der langen Pause bin ich gespannt, wie die Jungs körperlich, aber auch fußballerisch drauf sein werden. Auch wird es wichtig, inwieweit sich alle Spieler wieder mental auf den Verbandsligafußball mit allem, was dazu gehört, einlassen können. Hier können drei bis vier Trainingseinheiten und die Fahrten am Wochenende zu den Auswärtsspielen erst einmal zu einer großen Belastung führen. Auch die Trainingssteuerung wird für mich eine Herausforderung werden. Man wird im konditionellen Bereich Grundlagen legen müssen, wohlwissend, dass alle Spieler im letzten halben Jahr nur konditionell trainiert haben und zuallererst Fußball spielen wollen. Eine lange Vorbereitung, um langsam reinzukommen, mit zahlreichen Testspielen wäre wünschenswert. Hierfür wäre eine Vorlaufzeit von zwei Monaten optimal. Auch wenn ich eher Traditionalist bin, sollte man für die kommende Saison über ein alternatives Spielmodell wie zum Beispiel eine einfache Runde mit Playoffs und Playdowns nachdenken.«
Thorsten Schäfer: »Es wird aus meiner Sicht noch eine längere Zeit dauern, bis wir wieder in gewohnter Form gemeinsam trainieren dürfen. Daher sind die Planungen derzeit relativ ruhig. Nach der langen Pause wird eine längere Vorbereitung notwendig sein, um die Spieler verletzungsfrei auf ein entsprechendes Wettkampfniveau zu führen. Da es erneut keine Auf- und Absteiger geben wird müssen wir uns auf eine lange, intensive Runde mit vielen englischen Wochen einstellen.«