Diese ungenügende Vorstellung der Gießen 46ers müssen alle erst einmal verdauen. Das 82:101 (40:47) spiegelte beim BBL-Nachholspiel am gestrigen Mittwochabend die wahren Machtverhältnisse wider. Die 46ers ließen alles, was Abstiegskampf ausmacht, vermissen. Die Würzburger um ihren Trainer Denis Wucherer zeigten ihnen, wie der geht: mit unbändigem Einsatzwillen, Leidenschaft, der richtigen Einstellung und Qualität.
Scholz hatte Ballbewegung und Transition-Spiel im Angriff gefordert, in der Abwehr Zonenverdichtung und die Verteidigung abseits des Balles. Davon war im ersten Viertel nichts zu sehen. Bereits in der vierten Minute musste Gießens Trainer eine Auszeit nehmen, um Schlimmeres zu verhindern. 13:4 führten die Würzburger, die in allen Belangen einfach mehr wollten. Einzig Brandon Bowman stemmte sich in der Offensive gegen eine drohende Klatsche. Seine Punkteausbeute vorzeigbar: 13 nach der ersten Hälfte, dazu kamen noch fünf Rebounds. Mit Abstand der effektivste Spieler der 46ers zu diesem Zeitpunkt. Auf der anderen Seite war es Cameron Hunt, der dem Würzburger Spiel seinen Stempel aufdrückte. Der Forward sammelte 14 Zähler. Erwähnenswert zudem Alex King, der vor allem mit drei von vier Dreiern glänzte. Trotz der vielen Schwächen seitens der Gießener hielt sich der Rückstand nach der ersten Hälfte mit sieben Punkten erträglich (40:47).
Gießens Geschäftsführer Michael Koch bilanzierte treffend: »Mit den letzten fünf Minuten können wir zufrieden sein, mit den ersten 15 nicht.« Auch er konstatierte im Halbzeitinterview bei MagentaSport - wie Scholz vor knapp zwei Wochen in dieser Zeitung (was MagentaSport als Zitat einblendete) - , dass es für die 46ers schwer werden wird, die Klasse zu halten.
Dachte man, dass sich die Gießener im dritten Viertel fangen würden und Besserung im Spiel eintreten würde, wurde man brutal auf den Boden der Tatsachen geholt. Zwar keimte die Hoffnung beim 47:50 (Scottie James Jr. nach einem Offensivrebound, 23.) auf. Als aber John Bryant nach einem Reboundduell ein Foul aufgebrummt bekam, sich darüber beschwerte und noch ein »Unsportliches« erhielt, riss der Faden komplett. Die Würzburger, angeführt von ihrem neuen überragend auftretenden Spielmacher Robert Lowery, erhöhten das Tempo, nutzten die Schwächen der Gießener aus und bauten den Vorsprung bis zum Viertelende auf 15 Punkte aus (77:62).
Im finalen Viertel machten beide Teams dort weiter, wo sie aufgehört hatten: Gießen ohne Intensität, Tempo und Körpersprache sowie mit einer ungenügenden Defense. Zudem produzierten sie Fehler auf Fehler. Die Franken dagegen spielten groß auf und hatten gegen ganz schwache 46ers leichtes Spiel.
»Mit dieser Leistung können wir nicht zufrieden sein. Es ist momentan schwer für die Mannschaft - für uns alle. Wir müssen zusammenhalten und weiter kämpfen. Wir werden die Flinte nicht ins Korn werfen«, bilanzierte ein niedergeschlagener Scholz.
Für die 46ers geht es Schlag auf Schlag weiter. Es folgen im Kampf ums sportliche Überleben in der BBL weitere Partien mit Gegnern auf Augenhöhe. Am Samstag kommen die Bayreuther in die Osthalle, am nächsten Mittwoch geht es dann nach Weißenfels zum MBC, ehe nur drei Tage später die Bonner mit dem Ex-46er Benjamin Lischka in der Stadt an der Lahn gastieren. Am 13. März steht das Hessenderby in Frankfurt an - und sieben Tage später das Rückspiel gegen Würzburg in Gießen. Die 46ers brauchen auf dem Weg zum Klassenerhalt eine Siegesserie. Meist reichten in einer Saison neun oder zehn Erfolge, um in der Beletage zu bleiben. Bisher haben sie in 19 Spielen erst drei gesammelt.
Es gibt aber noch eine weitere vage Hoffnung. Vielleicht setzt die BBL - so wie zum Beispiel im Eishockey die DEL oder im Basketball die Pro A und Pro B - den Abstieg in dieser Corona-Saison aus.
Würzburg: Jones (4), Ward (11), Obiesie, Haßfurther, Lowery (18), Albus, Koch (8), Hunt (28), Weitzel (11), Holloway (8), Hoffmann (2), King (11). / Gießen: Stark (12), Kraushaar (3), Köpple, Pjanic (1), Uhlemann, Garrett (12), Bowman (19; Zylka, James Jr. (12), Thomas (14), Bryant (9).