Als der leidgeplagte Erling Haaland Matchwinner Jadon Sancho überglücklich in seine Arme schloss, brannte Julian Nagelsmann schon auf die Revanche. »Wir haben ein paar Dinge zu tun. Die bereite ich mit der Mannschaft vor, damit wir mal wieder ein Spiel gegen Dortmund gewinnen«, sagte der leicht gereizte Trainer von RB Leipzig nach der verlorenen Generalprobe für das DFB-Pokalfinale. Doch nach dem wilden 3:2 (0:1)-Erfolg in der Fußball-Bundesliga liegt der psychologische Vorteil beim BVB.
Durch den fünften Ligasieg in Serie wird der Glaube an die Krönung der erfolgreichen Aufholjagd im Kampf um die eminent wichtige Champions-League-Teilnahme immer größer, zudem sind die Dortmunder seit Oktober 2017 in sieben Pflichtspielen gegen die Sachsen ungeschlagen. »Wir gehen mit Mut und ganz viel Selbstvertrauen ins Endspiel«, sagte Trainer Edin Terzic mit Blick auf den Pokal-Showdown am Donnerstag (20.45 Uhr/ARD) im Berliner Olympiastadion.
Dessen ist sich auch Nagelsmann bewusst. Zwar wollten beide Trainer nicht zu viele Rückschlüsse für das Endspiel ziehen, doch in einem Punkt war sich der künftige Bayern-Coach Nagelsmann sicher: »Wenn wir zumindest das 2:2 gehalten hätten, wäre es ein psychologischer Nachteil für Dortmund gewesen.« Doch drei Minuten vor dem Ende krönte Jungstar Sancho seine starke Leistung mit dem traumhaft herausgespielten Siegtreffer. Danach hielt es auch den verletzt fehlenden Haaland (Pferdekuss) nicht mehr auf seinem Tribünenplatz. »Jeder weiß«, betonte Nationalspieler Emre Can, »wie enorm wichtig das ist.« Nach den Toren von Marco Reus (7.) und Sancho (51.) sah es nach einer lockeren Generalprobe für den BVB aus, doch Leipzig schlug durch Lukas Klostermann (63.) und Dani Olmo (77.) zurück. »In der zweiten Halbzeit waren wir die bessere Mannschaft«, analysierte Nagelsmann.
Wolfsburg feiert Brekalo
Dortmund wankte, fiel aber nicht. »Leipzig hat viel Druck gemacht und wir hatten phasenweise Glück, dass wir nicht das 2:3 bekommen haben. Aber wir haben Moral gezeigt und sind jetzt da«, sagte Kapitän Reus. Dieses Gefühl will der BVB auch mit nach Berlin nehmen - auch wenn er dort auf Torhüter Marwin Hitz (Kapselriss im Knie) verzichten muss.. »Wir wollen den Pokal nicht nur angucken, sondern nach dem Spiel auch anfassen«, sagte Terzic. Ob Haaland dabei helfen kann? Offen!
Im Kampf um die Champions League zeigte auch diesmal der VfL Wolfsburg keine Nerven. Der Kroate Josip Brekalo bescherte dem Tabellendritten mit seinen drei Toren in der 12., 63. und 89. Minute den 3:0 (1:0)-Sieg gegen Union Berlin und damit auch eine überzeugende Antwort auf die drei Niederlagen in den vorangegangenen vier Partien. Dem Ziel Königsklasse ist der VfL damit ein großes Stück näher gekommen.
Als Schiedsrichter Felix Brych die Hochleistungssportler aus Frankfurt und Mainz Mitte der zweiten Hälfte zur zweiten Trinkpause bat, da hatte Martin Hinteregger nicht die rechte Lust, die 70, 80 Meter zur Trainerbank zurückzulegen. Die Unterbrechung fand das Unikum in der Eintracht-Abwehr nicht so dufte, schließlich lag sein uninspiriertes Team schon lange mit 0:1 hinten gegen diesen biestigen Mainzer. Also hockte sich der 28-Jährige lieber im Fünfmeterraum auf den Spielball und hielt ein Schwätzchen mit Keeper Kevin Trapp. Motto: Lass die anderen mal quatschen. Die anderen schienen des Trainers Worte eher gleichmütig über sich ergehen zu lassen.
Hinteregger aber war es, der irgendwann spürte, dass dieses Duell gegen den giftigen Nachbarn ganz sicher verloren ginge, wenn nicht ein wenig mehr Emotionalität ins Spiel getragen würde. Also pflaumte er kurz nach dem Seitenwechsel erst einmal Mitspieler Durm an. Später ließ er sich noch auf eine Rudelbildung mit zwei Mainzern ein. Da wollte einer wachrütteln, weil doch aus Sicht der Hessen vieles nicht lief, wie es eigentlich laufen sollte oder vor Wochen gelaufen war.
Hrustic trifft
Am Ende konnte die Eintracht, die einen fußballerisch bedenklichen und auch sonst seltsam blutleeren Auftritt hinlegte, froh sein, dass sie noch einen Punkt ergatterte gegen tiefstehende Mainzer, die den Klassenerhalt nun praktisch sicher haben. Der eingewechselte Selten-Spieler Ajdin Hrustic (86.) glich die frühe Mainzer Führung durch Karim Onisiwo (11.) spät und spektakulär mit einem Heber im Liegen aus.
Für die Eintracht bedeutet das Remis einen kapitalen Rückschlag im Kampf um die Champions League, sie hat binnen weniger Wochen eine nahezu perfekte Ausgangslage und sieben Punkte Vorsprung auf Dortmund verspielt. Der BVB rangiert jetzt einen Zähler vor den Frankfurtern, die aus den zurückliegenden vier Partien lediglich vier Punkte geholt haben.
Die Eintracht befindet sich im Sinkflug, die Königsklasse ist zwei Spieltage vor Schluss aus eigener Kraft nicht mehr zu erreichen. Die Hessen müssen auf Ausrutscher der Konkurrenten aus Wolfsburg, vor allem aber aus Dortmund hoffen. Sie selbst müssen ihre beiden Partien, auf Schalke und gegen Freiburg, gewinnen.
»Das Unangenehme ist, dass wir den Vorsprung verspielt und es jetzt nicht mehr in der eigenen Hand haben«, sagte Cheftrainer Adi Hütter. Der 51-Jährige betonte überraschenderweise, dass die Mannschaft zeitweise womöglich »über ihre Verhältnisse« gespielt habe. Zwei Spieltage vor Schluss ist das eine fast schon abenteuerliche Aussage, zumal es gerade Hütter war, der immer betonte, dass das Ensemble völlig zu Recht dort stehe, wo es verortet war.
Zur Wahrheit gehört, dass etwas zerbrochen zu sein scheint im Verhältnis zwischen Mannschaft und Coach, seit der Wechsel von Hütter zu Borussia Mönchengladbach öffentlich gemacht wurde. Kann es Zufall sein, dass die Mannschaft seitdem nicht nur bescheidende Resultate einfährt, sondern auch kein einziges überzeugendes Spiel mehr abgeliefert hat?
Younes kommt spät
Zumal der Trainer mit einigen Personalentscheidungen daneben liegt. In Nibelungentreue stellte er erneut Luka Jovic auf und ließ Amin Younes auf der Bank. Jovic enttäuschte wieder, zu allem Überfluss wechselte der Coach den Spielmacher Younes abermals erst spät, nach 64 Minuten, ein. Der Nationalspieler brachte erneut Belebung und bereitete den Ausgleich vor. Wieso, weshalb, warum? Das versteht selbst intern niemand mehr. Die Kritik am Trainer ist deutlich vernehmbar.
Hütter hat das gemacht, was Trainer in seiner Situation gerne tun, das bisher Erreichte als Erfolg zu verkaufen. »Ich glaube, dass wir sehr viel gewonnen haben. Wir sind schon international dabei - im schlimmsten Fall werden wir Fünfter, da könnten wir immer noch von einer sehr guten Saison sprechen.« Das ist unter normalen Umständen korrekt, aber nicht vor dem Hintergrund der letzten vier Wochen, dem Verspielen des Vorsprungs, den matten Leistungen und dem Theater, für das der Trainer die Verantwortung trägt.
So bleibt es dabei, dass die Mannschaft es für sich selbst regeln muss, aber da scheinen jetzt auch viele Einzelinteressen das große Ganze zu gefährden. Oder es kommt doch noch zum fröhlichen Ende, denn letztlich ist es so, wie es Philosoph Makoto Hasebe ganz banal ausdrückte: »Im Fußball ist alles möglich.«
Die nächsten Eskalationsstufen im Machtkampf des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sind gezündet. Präsident Fritz Keller klammert sich trotz der vorbereiteten Amtsenthebung an seinen Posten und will den anstehenden Sportgerichts-Prozess juristisch führen. Gleichzeitig tobt der Kampf zwischen dem Amateur- und Profilager immer heftiger, um vor der Präsidiums-Entscheidung zum Fall Keller die Deutungshoheit zu gewinnen.
Durch die Einschaltung eines Anwalts scheint klar zu sein, dass sich der schwer angeschlagene DFB-Chef auch dem immer größer werdenden Druck nicht beugen möchte. Kellers Rechtsbeistand hat dem Sportgerichts-Vorsitzenden Hans E. Lorenz bereits mitgeteilt, dass er die Interessen des Präsidenten rund um den von ihm ausgelösten Nazi-Eklat vertreten wird. Das bestätigte Lorenz am Sonntag.
Am vergangenen Montag hatte die DFB-Ethikkommission den Fall vor das verbandsinterne Gericht gebracht. Es ist das erste Mal, dass sich ein DFB-Präsident vor dem Sportgericht verantworten muss. Der seit Monaten im Mittelpunkt eines Machtkampfs an der DFB-Spitze stehende Keller hatte den Vizepräsidenten Rainer Koch in einer Sitzung mit dem berüchtigten Nazi-Richter Roland Freisler verglichen.
Die Präsidenten der Regional- und Landesverbände erneuerten am Freitag mit großer Mehrheit ihre Rücktritts-Aufforderung an Keller und riefen parallel zur Amtsenthebung des 64-Jährigen auf. Aufgrund der 33 Ja-Stimmen bei nur drei Enthaltungen hält Koch einen Amts-Verbleib von Keller für ausgeschlossen.
Da es nicht nach der gewünschten Rücktritts-Reaktion aussieht, wird Plan B wahrscheinlicher. Demnach müsste das Präsidium eine Vorstandssitzung mit dem Tagesordnungspunkt »Enthebung von Fritz Keller« einberufen. Während Generalsekretär Friedrich Curtius und Stephan Osnabrügge ihren Abschied bereits angedeutet haben, will Koch in keinem Fall das Feld räumen. In einer medialen Offensive am Wochenende (Facebook-Post, Interview mit der »Welt am Sonntag«, Besuch im ZDF-Sportstudio) schloss der Amateurchef einen Rücktritt aus. Koch erhob stattdessen erneut schwere Vorwürfe gegen Seifert (dieser habe ihn als »paranoid« bezeichnet) und machte deutlich, dass die Profis bei der Frage nach der Besetzung der Amateurspitze gefälligst schweigen sollen.
Dass es vor allem ums Geld geht, wurde endgültig klar, als Koch das »heiße Eisen« Grundlagenvertrag kurz erwähnte. Dieser Vertrag zwischen dem DFB und der Deutschen Fußball-Liga (DFL) läuft 2023 aus und muss dringend neu verhandelt werden. Laut des Vertrages muss der Profifußball eigentlich drei Prozent seiner Einnahmen an den DFB abgeben. Da die 2013 auf 866 Millionen Euro gedeckelte Summe aber nichts mehr mit der Realität zu tun hat, wollen viele Amateurvertreter mehr Geld sehen. Dass es Koch sein könnte, der den neuen Kontrakt für den DFB aushandelt, gilt im Profibereich als Horrorszenario.