Die Botschaft der FIFA ist klar: »Fair Play und gegenseitiger Respekt sind fundamental für den Fußball. Diskriminierendes Verhalten ist nicht erlaubt«, heißt es beim Weltfußballverband. Und: »Sag Nein zu Rassismus.« Doch der Blick nach Russland zeigt: Bei der Fußball-WM läuft einiges schief, und damit ist ausnahmsweise nicht das Aus der DFB-Elf gemeint. Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Mobbing zeigen ihre hässliche Fratze – auf dem Platz, am Rande des Spielfelds und natürlich im Internet.
Die Entwicklung überrascht Philosoph und Fußballfreund Wolfram Eilenberger nicht: »Schon im Vorfeld gab es eine Ahnung, dass das eine dunkle Wendung nehmen könnte, was auch in Deutschland noch eine Art fröhlicher, weltoffener Patriotismus war«, sagt der Publizist. Diese Gefahr bestehe immer bei Nationen-Turnieren, »dass ein gesunder Stolz und auch eine Freude an dem jeweils Eigenen zu einer Art degenerierten Form des Hasses und des Nationalismus wird.«
Beispiele gibt es zuhauf: Da ist die wochenlange Affäre um Mesut Özil, Ilkay Gündogan und ein umstrittenes Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Nach der Niederlage gegen Südkorea machte der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier Özil persönlich für das Ausscheiden der Deutschen verantwortlich. Auf Twitter schreibt er: »Ohne Özil hätten wir gewonnen!«. Dazu stellt er ein Bild des Nationalspielers mit türkischen Wurzeln und dem Zitat: »Zufrieden, mein Präsident?«.
Da ist der serbische Trainer Mladen Krstajic, der den deutschen Schiedsrichter Felix Brych wegen eines nicht gegebenen Elfmeters vor das UN-Kriegsverbrechertribunal nach Den Haag schicken wollte. Da sind die umstrittenen Doppeladler-Jubel-Gesten der Schweizer Spieler um die albanischstämmigen Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka; zuvor waren diese von serbischen Fans ausgepfiffen worden.
Das Disziplinar-Komitee der FIFA beschäftigte sich zudem mit homophoben Schlachtrufen argentinischer und mexikanischer Fans. Vorwürfe wegen rassistischer Beleidigungen gab es derweil gegen australische Anhänger. Sie sollen im Spiel gegen Peru bei den Ballkontakten von Luis Advíncula Affengeräusche gemacht haben. Nicht zu vergessen die DFB-Funktionäre, die nach dem Sieg der Nationalelf gegen Schweden die Verlierer mit geballten Fäuste und hämischen Gesten provozierten.
War denn die Lage bei den vorherigen Turnieren besser? Eilenberger sieht einen Zusammenhang mit den globalen gesellschaftspolitischen Entwicklungen. »Das war 2006 und 2010 anders als jetzt, heute gibt es eine Verengung und Versteifung und auch eine Wendung ins Extreme, die ganz seltsamerweise und auch bedrückenderweise mit der Weltlage korrespondiert.« Natürlich gab es auch all die emotionalen Szenen, die zu so einer WM dazugehören – von bitteren Niederlagen und triumphalen Siegen, von fröhlichen und frustrierten Fans. Dazu die bunten Bilder aus den russischen Metropolen, die fast vergessen lassen, warum man eigentlich ein schlechtes Gefühl hatte mit der WM und Russland. Doping, Menschrechtsverletzungen, Homophobie.
Es gab auch starke Gesten. Man denke an das schwedische Team, das sich in einem Video geschlossen hinter seinen türkischstämmigen Mittelfeldspieler Jimmy Durmaz stellte und »Fuck Racism« skandierte. Zuvor war der 29-Jährige nach einem Fehler im Spiel gegen Deutschland in den sozialen Medien heftig beleidigt worden und hatte Morddrohungen gegen sich und seine Kinder erhalten.
Denn die Hetze findet auch im Netz statt: Südkoreas Hyun-Soo Jang musste sich nach dem Spiel gegen Mexiko heftigen Mobbings der Fans erwehren. Auch Kolumbiens Carlos Sanchez wurde Opfer von Hass im Internet. Nach einer Roten Karte bekam er Todesdrohungen. Erinnerungen werden wach an den Anschlag auf Landsmann Andrés Escobar, der 1994 wenige Tage nach seinem Eigentor bei der WM erschossen wurde. Anfeindungen hat auch ZDF-Reporterin Claudia Neumann erlebt – aus frauenfeindlichen Motiven. Doch hier passiert etwas: Das ZDF hat Strafantrag gegen zwei Nutzer gestellt.