Aktive des »Wöllschter Narren-Clubs« (WNC) kamen am späten Sonntagvormittag auf der Bleiche in Ober-Wöllstadt zusammen und zogen mit Musik und »Tschingderassa« an der Kirche und dem Pfarrzentrum vorbei quer durch den Ort. Die Karnevalisten und ihre Haustiere marschierten zum Alten Rathaus, um dieses zu erobern. Die fünfte Jahreszeit beginnt.
Die Inbesitznahme ging in wenigen Sekunden über die Bühne, da sich der wiedergewählte Bürgermeister Adrian Roskoni willig und gutgelaunt entmachten ließ. Ihm war klar, dass er seine Außenstelle gerne den Karnevalisten überlassen kann, wenn sie ihn nur nicht in der Gemeindeverwaltung behelligen und ihn dort ungestört arbeiten lassen.
Dass der Verkehr auf der Hanauer Straße wegen der Rückbauarbeiten ruht, kam den Narren zugute, denn sie hatten damit vor dem Alten Rathaus ungewohnt viel Platz. War es am Morgen noch nass und regnerisch, so kam beim Umzug, der von der Faschingsabteilung des Musikvereins mit feurigen Melodien unterstützt wurde, die Sonne heraus.
Als die Gießener Straße an der Ampelanlage erreicht war, freuten sich die Karnevalisten über beinahe subtropische Temperaturen. Derart angefeuert, wählten sie den nächsten Umweg und erreichten das Alte Rathaus über den Mittelweg und die Gartenstraße. Ausgiebig kamen unter der Leitung des Musikvereinsvorsitzenden Bernd Eisenhut Perkussionsinstrumente zum Einsatz.
Keine große Gegenwehr
Die Musik kreiste um zu verschenkende Gartenzwerge und die sprichwörtliche iberische Lebensfreude. Am Sportplatz gelang den Tonkünstlern nahtlos der Übergang zu Jazztiteln. Auf dem früheren Schulhof am Alten Rathaus angekommen, erklärte WNC-Chef Marcel Heller die Zeit der Vernunft für beendet und empfahl Bürgermeister Adrian Roskoni den Ruhestand.
Heller wurde bei seinem Kampf um den Rathausschlüssel von Stellvertreterin Lisa Scheibel und Sitzungspräsident Tobias Gondolf tatkräftig unterstützt. Der Bürgermeister musste nicht lange gebeten werden, denn ihm war klar, dass für ihn nichts auf dem Spiel stand. Er hatte selber heitere Reime vorbereitet und überließ den Narren das Rathaus. Wie in jedem Jahr waren die arglosen Narren am Ende die Betrogenen.
Die Karnevalisten hatten nichts dazugelernt und gewannen zwar das soweit ganz nette, aber weltpolitisch vollkommen belanglose Alte Rathaus. Denn die Verwaltung setzt ihre Geschäfte auch in der närrischen Periode in der Paul-Hallmann-Straße gnadenlos fort. Mit Versen, Gesang und dem Tanz der Garde, der diesmal auf der Durchgangsstraße stattfinden konnte, wurde der Rathauschef in die Enge getrieben.
Die Narren marschierten mit dem Schlüssel in der Hand weiter zum Kulturraum an der Römerhalle und feierten dort mit Sekt, Senf und Semmeln. Unklar blieb am Sonntagmittag, ob die Karnevalisten jetzt knapp vier Monate lang auch über den Geldautomaten verfügen, der im Alten Rathaus aufgestellt ist.