26. Februar 2019, 20:11 Uhr

Geheimnisse einer Kleinstadt

26. Februar 2019, 20:11 Uhr
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Von Harald Schuchardt

Bisher spielte das in der Kreisstadt ansässige Helden-Theater überwiegend Komödien. Mit ihrer neuesten Produktion »Unsere kleine Stadt«, die am Wochenende gleich zweimal im Theater Altes Hallenbad Premiere feierte, wagte sich die Laientruppe um deren »Chef« Burkard Struve erstmals an einen epischen Theater-Klassiker.

Die Vorlage des amerikanischen Autors Thornton Wilder verlangt der wesentlich vergrößerten 16-köpfigen Truppe mit vielen neuen Gesichtern einiges ab. Der weitgehende Verzicht auf Bühnenbild und Requisiten in dem teils heiteren aber oft auch sehr ernsten Stück hatte im Vorfeld ein intensives Pantomimentraining zur Folge.

Das zahlte sich aus: Alle Schauspieler, darunter mit Emma und Katharina Schaumann zwei Kinder, überzeugten mit ihrem pantomimischen Spiel, egal, ob schreiben, im Garten arbeiten, gemeinsam frühstücken oder gar Orgel spielen ohne Instrument. Lediglich einige Stühle, zwei Tische, zwei Klappleitern und eine Bohle waren auf der Bühne zu sehen, auf welcher Burkhard Struve, Vorsitzender und »Macher« der »Helden«, als Erzähler immer präsent war.

Gänsehautmomente

Er führte durch die Handlung der zweistündigen Aufführung, die Anfang des 20. Jahrhunderts in der Kleinstadt Grover’s Corners in New Hampshire spielt, allerdings in drei verschiedenen Jahren. Immer wieder schaltet sich der Erzähler in die Handlung ein, erläutert Zeitsprünge ebenso geschickt, wie so manches Ereignis in der Stadt, die er zu Beginn vortrefflich beschreibt. Parallelen zu Friedberg fallen schnell auf und sind durchaus beabsichtigt. Eine von vielen gelungenen Einfällen der Regie, für die Struve zusammen mit Jutta Lehnert verantwortlich zeichnet. Das Spiel in der vermeintlich heilen Kleinstadtwelt beginnt 1901 mit den ersten zarten Annäherungsversuchen der Nachbarskinder Emily (Svenja Illenberger) und George, gespielt von Rebekka Radgen, die bei der Vorstellung am Sonntag ihren 17. Geburtstag feierte. Die beiden jungen Augustinerschülerinnen brillierten in ihren Rollen, spielten sicher und souverän. Den abschließenden Monolog Emiliys, die sich als auf dem Wochenbett Verstorbene auf dem Friedhof von der Welt verabschiedet, erzeugte bei vielen Besuchern Gänsehaut. Sogar manche Träne wurde verdrückt.

Zwischen dem letzten Akt, der 1913 spielt, lag die Trauung des Paares 1904. Hierbei schlüpfte Struve in die Rolle des Pfarrers, nachdem er zuvor schon als Barmann geglänzt hatte. In das abwechslungsreiche Spiel einbezogen wurde auch der Bereich über der Bühne der einstigen Schwimmhalle. Dieser wurde zur Kirchenempore, auf der ein Chor übte, dirigiert vom betrunkenen Kantor Simon Stimson, der sich später umbringt. Barbara Willkom-Dingeldey füllt diese kleine Rolle ebenso facettenreich aus wie beispielsweise Simela Tamay als etwas tölpelhafter Milchmann Howie Newsome oder Melanie Rix als Constable Warren sowie in zwei weiteren kleinen Rollen. Auch Katharina Fey spielte drei unterschiedliche Charaktere exzellent.

Ob kleine oder größere Rollen, alle waren passend besetzt, so wie die der Eltern der beiden Jugendlichen: Ralf Reitze und Eva Römer als Georges Eltern Dr. und Mrs. Gibbs sowie Rainer Götze als Emilys Vater und Zeitungsverleger Mr. Webb und Roswitha Wolff als dessen Ehefrau. Dank der hervorragenden Regie sowie exzellentem Licht und Ton war die Inszenierung zu jeder Zeit spannend, fesselnd und äußerst unterhaltsam. Die Laienschauspielgruppe bewegte sich auf einem nahezu professionellen Niveau. Nicht enden wollte schließlich der Beifall der Besucher, die die ganze Truppe samt den Helfern im Hintergrund minutenlang feierten.

Am Samstag, 6. April, um 19.30 Uhr und am Sonntag, 7. April, um 15.30 Uhr wird das Helden-Theater noch einmal »Unsere kleine Stadt« im Theater Altes Hallenbad aufführen. Karten gibt es im Vorverkauf im Ulenspiegel und der Buchhandlung Bindernagel sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen.



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