10. Oktober 2019, 20:08 Uhr

Ein ungewohntes Pfeifen

10. Oktober 2019, 20:08 Uhr
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Von Jürgen Wagner

Es war ein Tag des Schreckens für das kleine Ossenheim: Am 11. September 1944 zur Mittagszeit warfen US-Jagdflugzeuge 82 Sprengbomben über dem Ort ab. Sechs Menschen starben sofort, vier wurden schwer verletzt. Der damals zwölfjährige Horst Walther war Augen- und Ohrenzeuge des Angriffs, 75 Jahre danach berichtete er der WZ, wie sich ihm die Bilder jenes Tages bis heute ins Gedächtnis gebrannt haben. Ein ebenfalls noch lebender Zeitzeuge ist Wilhelm Schaubach aus Florstadt. Der rüstige 90-Jährige hat seine Erinnerungen an diesen Tag aufgeschrieben.

»Mit meinen Arbeitskollegen arbeitete ich damals als Lehrling bei der Firma Loth und Bopp (nach dem Krieg Firma Karl Loth) auf der Zuckerfabrik in Friedberg beim Aufbau einer Lagerhalle. Der bei Fliegerangriffen von uns sogenannte Voralarm fand vorerst wenig Beachtung, bis eines schönen Tages mehrere Doppelrumpf-Flugzeuge des Fabrikats Lockheed P 38 Lightning auftauchten. Später hieß es, dass der Bordwaffenbeschuss, der zu hören war, der Hefrag in Wölfersheim gegolten hätte. Ab diesem Zeitpunkt hielten wir es aber für angeraten, die Arbeitsstelle Zuckerfabrik in Richtung Schlammteiche nahe der Usa zu verlassen.«

»Fliegende Festung«

So sei es auch an jenem 11. September 1944 gewesen, berichtet Schaubach: »Am Nachmittag sahen wir einen größeren Bomberverband aus Boeing B 17 Flying Fortress (›Fliegende Festung‹) auf dem Rückflug in westlicher Richtung. Plötzlich war ein für uns ungewohntes Pfeifen zu hören. Einige Italiener, nach dem Putsch von Pietro Badoglio gegen Mussolini vom deutschen Militär entwaffnet und zum Arbeitseinsatz bei uns verdonnert, spritzten daraufhin wie aufgeschreckte Hühner auseinander und warfen sich auf den Boden. Einige riefen: ›Mama mia, Mama mia!‹ Als wir in Richtung Ossenheim blickten, sahen wir zuerst die Rauchpilze am Ortsrand aufsteigen. Einige Augenblicke später hörten wir auch die Detonation der Bomben.«

Auf dem Nachhauseweg am Abend hätten er und seine Arbeitskollegen dann die Schäden gesehen und hörten auch von einigen Opfern. Schaubach weiter: »Außerdem war die Brücke über die Wetter teilweise zerstört und von Fahrzeugen nicht mehr zu benutzen. Nur Fußgänger und Radfahrer konnten sie noch passieren. Was an Gebäuden usw. zu Schaden gekommen ist, daran kann ich mich heute nicht mehr genau erinnern.

Zur Notlandung eines deutschen Flugzeuges am Rande der Wetter, die in dem Artikel in der WZ angeführt ist, will ich bemerken, dass es sich hierbei um ein deutsches Flugzeug vom Typ Junkers Ju 88 handelte. Dieser leichte Bomber wurde während des Krieges zum Nachtjäger umfunktioniert. Die an der Wetter abgestürzte Ju 88 wurde nach der Notlandung von deutscher Polizei oder von Parteifunktionären bewacht, die uns neugierige Jungs zurückwiesen.«



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