26. August 2019, 20:32 Uhr

Bis auch der letzte Ton sitzt

26. August 2019, 20:32 Uhr
Avatar_neutral
Aus der Redaktion

Im vorigen Jahr war es noch die tragische Geschichte der Medea. Nun bringt das Opern-Team eine musikalische Komödie auf die Bühne des Theaters Altes Hallenbad an der Haagstraße. »Die Fledermaus« von Johann Strauß hat am 6. September Premiere. Sie wird »würzig, frech, frisch, farbenfroh«, sagt die Solistin Cornelia Haslbauer. »Wir haben unsere ganz eigene Version dieser Operette.« Sie werde in der heutigen Zeit spielen, ergänzt die Regisseurin Veronika Brendel. Für die vier Aufführungen im September wird jetzt täglich geprobt.

An einem dieser Tage ist gerade der zweite Akt dran - das große Fest beim Prinzen Orlofsky mit dem gesamten Ensemble. Das zehnköpfige Orchester sitzt unter der Galerie links vor der Bühne und spielt das Couplet des Prinzen Orlofsky. »Ich lade mir gern Gäste ein«, singt Cornelia Haslbauer auf der Bühne, mit einem Champagnerglas voll Mineralwasser in der Hand. Sie hat sich, trotz der Hitze, eine Pelzmütze auf den Kopf gesetzt und einen langen, gülden glitzernden Mantel über Hemd und Jeans geworfen. Der Komponist verfügte anno 1874, dass diese männliche Hauptrolle von einer Mezzosopran singenden Frau gespielt wird.

Im Pfälzer Dialekt

Orlofsky guckt arrogant-amüsiert zu, während die 34 Chormitglieder zur Feier herbeiströmen. Neben dem Prinzen hockt Gabriel von Eisenstein alias Martin Kellenbenz auf dem grünen Sofa. Er will sich auf dem Kostümfest noch amüsieren, bevor er morgen früh ins Gefängnis muss. Als ihn eine langlockige junge Frau im Künstlerinnen-Outfit bezirzt, kneift Gabriel die Augen zusammen: Ist das nicht sein Stubenmädchen Adele? Doch sie versteht, ihn zu täuschen.

Die zehn Solisten singen während der Probe nur mit halber Kraft, um ihre Stimmen zu schonen. Volltönend dagegen der Chor: »Ein Souper heut’ uns winkt«, und dann der Ohrwurm: »Mein Herr Marquis, ein Mann wie sie«. Plötzlich unterbricht die Regisseurin den Gesang. Sie teilt den Chor in zwei Partien, platziert eine davon ein Stück nach vorn. »Die Proben sind wichtig«, erzählt Veronika Brendel später in der Pause. »Wir haben zum Beispiel den Text abgewandelt.« Ein Teil der Operette wird ja gesprochen, und die vor 145 Jahren verfassten Dialoge müssen für das heutige Publikum gut verständlich sein. Und witzig. »Wir haben hier diese Freiheiten«, sagt die aus Mainz täglich zu den Proben kommende Sonja Doniat. Sie spricht das verkleidete Stubenmädchen Adele teils im Pfälzer Dialekt - weil es gut rüberkommt. »Jessasmaria, allahopp!«

Für den Chor sind wie im Vorjahr der musikalische Leiter Daniel Görlich und die Schauspiel-Trainerin Aliki Sorbas aktiv. Doch den Dirigierstab schwingt diesmal eine Neue: Karin Hendel aus Butzbach. Sie hat 34 Jahre lang als Geigerin im hr-Sinfonieorchester gespielt, seit vier Jahren ist sie auch Dirigentin. Noch im März war sie in der Schweiz als Opern-Assistenz für »Figaros Hochzeit«, berichtet die Konzertmeisterin und Mitbegründerin der Bad Nauheimer Kammerphilharmonie. »Dass ich jetzt hier dirigieren kann, ist für mich ein unglaublicher Glücksfall.«

Und ein gutes Training, denn die Operette sei schwer zu koordinieren. Die vielen Akteure auf der Bühne sind dauernd in Bewegung. Die Dirigentin muss genau den Moment für den Einsatz ihres Orchesters finden, damit sich die Operette flüssig anhört. Die Freude am gemeinsamen Arbeiten und die kreativen Freiheiten rechtfertigen für die vielen Mitwirkenden den großen Aufwand und die vielen, seit Mai immer häufiger werdenden Proben. Man dehne sie oft länger aus als geplant, berichtet Sonja Doniat. »Es ist hier schon ein bisschen Heimat.« Die alljährlichen Inszenierungen haben eine breite Außenwirkung, findet Regisseurin Veronika Brendel: »Durch die Oper bekommt das Alte Hallenbad ein unverwechselbares Gesicht.«



0
Kommentare | Kommentieren

Bilder und Videos