29. August 2019, 20:17 Uhr

Abschied von einem Ort des Dialogs

29. August 2019, 20:17 Uhr
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Aus der Redaktion
Zum Abschluss der Reihe »Erzählcafé Abraham« geht es um das Thema »Was mir an meinem Glauben gut tut«. (Foto: pm)

Im Gemeindezentrum Wilhelmskirche, dort, wo alles begonnen hatte, fand nach 16 Jahren die letzte Veranstaltung der interreligiösen Reihe »Erzählcafé Abraham« statt. Die Reihe war nach Vorbereitung der örtlichen Agendagruppe von Pfarrer Dr. Ulrich Becke (Profilstelle Ökumene des Dekanats Wetterau) zusammen mit anderen ins Leben gerufen worden. Mit Beckes Ruhestand in einigen Wochen endet dieses regelmäßige Treffen von Juden, Christen und Muslimen.

Diesmal ging es vor etwa 60 Gästen um den Gedankenanstoß »Was mir an meinem Glauben gut tut«. Dazu brachten Imam Tuncay Dinckal, Rabbi Andy Steiman und Pfarrer Becke Impulse ein. Imam Dinckal aus Frankfurt betonte die Bedeutung, die das Gebet für ihn als direkte Kommunikationsmöglichkeit zu seinem Schöpfer habe. Inmitten von allem Weltlichen erlaube ihm das regelmäßige Hauptgebet, immer wieder neue Impulse zu setzen. Die Lektüre des Koran gestatte ihm immer wieder, sich auf sich selbst und seine Beziehung zu Gott zurückzubesinnen. Auf interreligiösen Pilgerfahrten habe er immer wieder hohen gegenseitigen Respekt erfahren in einer Gesellschaft, die sich als Ganze immer weiter von der Religion entferne.

Pfarrer Becke verglich die unterschiedlichen Religionen mit verschiedenen Gebrauchsanweisungen für Leben und Glauben, die es immer wieder neu zu übersetzen und zu deuten gelte. Gottes Geist sei und bleibe ewig derselbe. Ihn in unserer Zeit neu sprechen, neu wirken zu lassen, sei gemeinsame Aufgabe von Christen, Juden und Muslimen. Dabei sei es immer wieder wichtig, Respekt und Liebe füreinander zu entwickeln. Er halte den Begriff Respekt in diesem Zusammenhang für besser und richtiger als den Begriff der Toleranz, die immer wieder nicht auf gleicher Ebene, sondern von oben nach unten ausgeübt werde.

Zwischen den einzelnen Voten und dem regen Gesprächsaustausch darüber begleitete Sigrid Behrens den Gesprächsabend mit Intermezzi am Flügel. Schlussredner war Rabbiner Steiman aus Frankfurt. Ihm war es wichtig, darauf hinzuweisen, dass das Judentum weniger das Gebet als die Danksagung kenne. Wo es ihm und anderen schwerfalle zu danken, helfe der Humor. Der Humor sterbe zuletzt, nicht die Hoffnung. Er habe das vor allem von seinem Großvater erfahren, seinem menschlichen und jüdischen Vorbild, der Verfolgungen im zaristischen Russland, im Stalinismus und in der Shoah erlebt und erlitten habe, dabei aber immer dankbar und der Zukunft zugewandt geblieben sei.

Als Beispiel dafür, welchen Beitrag sein Glaube für die gemeinsame Zukunft aller leisten könne, nannte Steiman die Diskussion um weniger Fleischkonsum. »Wer die Welt genießt, wird sie erhalten wollen. Dazu muss man interessanterweise erst mal den Genuss in den Griff kriegen«, sagte der Rabbiner.

Viele der Gäste zeigten sich bewegt vom Abschluss des Erzählcafés: Als Rabbiner und Pfarrer das Schlusslied »Schalom, chaverim, lehitraoth!« (Frieden allen Gefährten und auf Wiedersehen) anstimmten, gesellte sich der Imam dazu und sang den hebräischen Friedenswunsch mit.



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