Wolfgang Ernst Fürst zu Ysenburg und Büdingen hat als Doppelvertreter, sowohl von Vermögen der Familie Ysenburg als auch der Stiftung, verschiedene Verträge mit sich selbst abgeschlossen, die augenscheinlich zu Lasten der kirchlichen Stiftung gehen.
Fast 750 Jahre kümmerte sich die Stiftung »Präsenz zu Büdingen« vorbildlich um die beiden Büdinger Kirchen Stadtkirche und Remigiuskirche, zwei Pfarrhäuser und den Friedhof bei der Remigiuskirche. Jetzt macht sich Misstrauen breit. Grund ist das Geschäftsgebaren des Fürstenhauses Ysenburg, das die Stiftung verwaltet. Offensichtlich ist Vermögen zwischen Stiftung und Familie verschoben worden.
Im Dezember 2004 verkaufte Wolfgang Ernst Fürst zu Ysenburg und Büdingen einen Teil des Büdinger Schlossparks an die Stiftung. Die Ysenburgs erhielten 133 000 Euro. Im Januar 2005 gingen ein weiterer Teil des Parks und ein Ysenburgscher Familienfriedhof in Büdingen an die Stiftung. Die zahlte 23 000 Euro. Im Oktober 2005 schenkte der Fürst der Stiftung ein Grundstück in Wächtersbach – noch ein Familienfriedhof. »Die Stiftung verpflichtet sich zu einer würdigen, zeitlich unbefristeten Pflege«, heißt es im Notarvertrag.
Vergangenen Sommer wurde der verwahrloste Hinterhof des unbewohnbaren Schlosses Eisenhammer in Brachttal im Main-Kinzig-Kreis verkauft, erhebliche Altlasten inklusive. Der Fürst vertrat sowohl den Verkäufer – eine Familienholding – als auch den Käufer, die »Präsenz zu Büdingen«. Der Kaufpreis von 145 896,60 Euro sollte mit offenen Schulden der fürstlichen Holding bei der Stiftung verrechnet werden. Denn in den Jahren zuvor hatte die Stiftung der Holding 155 000 Euro geliehen. Dazu war es gekommen, weil Banken nicht mehr zur Verfügung standen. Im Juli 2011 war die Holding insolvent.
Verstoß gegen Insolvenzordnung
Insolvenzverwalter Franz-Ludwig Danko sagt, er könne das Geschäft nicht akzeptieren. Einem insolventen Unternehmen kurz vor dem offiziellen Ende Vermögen zu entziehen, verstoße gegen die Insolvenzordnung. Jetzt soll die Stiftung den Kaufpreis an die Insolvenzmasse zahlen. Mit ihrer Darlehensforderung muss sie sich bei den übrigen Gläubigern einreihen. »Es sieht so aus, dass da nicht so wahnsinnig viel rauskommt«, sagt Danko.
Weil Büdingen im Deutschen Reich Residenzstadt eines herrschenden Adelshauses war, haben sich mittelalterliche Rechte erhalten. Die Herrscherfamilie Ysenburg errichtete schon im 13. Jahrhundert zugunsten der örtlichen Kirchengemeinde die Stiftung »Präsenz zu Büdingen«. Zweck der Stiftung war und ist der Erhalt der Büdinger Kirchen-Immobilien.
Unter Wolfgang Ernst Fürst zu Ysenburg und Büdingen änderte sich die Stiftungsarbeit. Für den Stiftungszweck »Erhalt der Büdinger Kirchen« stand immer weniger Geld zur Verfügung. Der Vorsitzende des Büdinger Kirchenvorstands, Joachim Brinkhaus, berichtet, in 20 Jahren seien 1,6 Millionen Euro für »Präsenz«-Bauten aufgebracht worden. Die Stiftung habe nur etwa fünf Prozent gezahlt, der Rest kam von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und der Kirchengemeinde. Nach Angaben von EKHN-Sprecher Joachim Schmidt ist zu befürchten, dass nun weitere Kosten »im hohen sechsstelligen Bereich« für Bauarbeiten an den Kirchen von der Landeskirche getragen werden müssten.
Die Stiftungsaufsicht beim Regierungspräsidium Darmstadt sagt, erst Anfang 2009 von der »Präsenz« erfahren zu haben. Es sei darum gegangen, der jahrhundertealten Stiftung eine Satzung zu geben, erklärt Aufsichtschef Kurt Michael Heß. Fast drei Jahre dauerten die Verhandlungen. Ergebnis ist eine Satzung, die weiter nur den Fürsten als Vorstand vorsieht. Interne Kontrolle findet nicht statt. Vom Regierungspräsidium und der Stadt Büdingen wurden zwar Gutachten eingeholt, die beide zu dem Ergebnis kamen, dass es sich bei der »Präsenz« um eine staatliche Stiftung handelt, mit der rechtlich kein Ysenburger seit Abschaffung der Monarchie mehr etwas zu tun hat. Die Satzung wurde trotzdem genehmigt.
Während der Verhandlungen zwischen Fürst und Stiftungsaufsicht war der Fürst nicht kreditfähig. Die Stiftungsaufsicht behauptet, das sei ihr nicht bekannt gewesen. Später heißt es: Man habe »das eine oder andere Gerücht wahrgenommen«. Die Fakten zu diesen »Gerüchten« zeigten sich seinerzeit im amtlichen Schuldnerverzeichnis. Die Stiftungsaufsicht sah zunächst keinen Anlass, sich Sorgen ums Vermögen der »Präsenz zu Büdingen« zu machen. Eine Prüfung der Geschäftsunterlagen verlangte sie erst im Januar 2011, wogegen der Fürst sich vor dem Verwaltungsgericht wehrt.
Kirchenleitung prüft Strafanzeige
In der EKHN herrscht Entsetzen über die neue Satzung. Nachteilige steuerrechtliche Regeln und weitgehende Rechte des Fürsten ermöglichten, dass die Stiftung »mittelfristig ausgehöhlt wird«, fürchtet Heinz Thomas Striegler, der Leiter der Kirchenverwaltung. Die Kirchenleitung prüfe eine Strafanzeige. Die neue Satzung ermöglicht, die 750 Jahre alte Stiftung aufzulösen. Kirchen, Pfarrhäuser und Friedhof gehen dann an die EKHN, »das sonstige Vermögen fällt an den dann lebenden Chef des Fürstlichen Hauses zu Ysenburg und Büdingen«, heißt es in der Satzung – also auch jene Grundstücke, die er der Stiftung verkauft hat.