Es lässt sich wohl sagen, dass Sie beide infiziert sind von den Burgfestspielen?
Michael Döricht : Ja. Ich freue mich schon vor Beginn der Spielzeit auf die Premieren. Auch weiß ich, dass ich da viele Bekannte und Freunde treffen werde.
Thomas Stöhr : Wenn ich über die Brücke gehe in den Burghof, fühle ich mich so als ob ich eine andere Welt betrete - eine unvergleichliche, faszinierende Welt. Ich denke dann, dafür gibt es den Sommer. Dabei ist es nicht nur die Spannung auf die Inszenierungen, sondern auch auf die Atmosphäre hinter den Tribünen im Burghof, auf dem Palas und auch vor der Burg. Es ist keine abgehobene Situation wie wenn man ins Stadttheater geht. Die Burg ist bei den Festspielen ein Treffpunkt für Menschen aus allen Schichten - entspannt und ungezwungen
Was hat Sie bewegt, sich für die Festspiele zu engagieren?
Döricht: Bei einer der ersten Spielzeiten Ende der 1980er Jahre hat die »Fulderkist« (ein Vilbeler Traditionslokal, das bis 2006 existierte) die Bewirtung in der Burg übernommen. Ich habe dort gejobbt und schon damals hat mir das ganze Drumherum sehr gefallen. Zwar war ich dann einige Jahre weg von Bad Vilbel, aber als ich zurückkam, hat sich sofort das gute Gefühl wieder eingestellt. Die Theaterstücke, das ungezwungene Zusammentreffen von Freunden und Bekannten. Das ist heute auch noch so. Ich bin Vilbeler und das ist meine Stadt.
Stöhr: Den Anfang habe ich nicht so miterlebt, da ich damals in Karben wohnte. Ich war wohl auch mal als Gast dort, kann mich aber nicht mehr erinnern, wann das war. Als ich dann ab dem Jahr 2000 als Erster Stadtrat und Kämmerer begann, war mir schnell klar, dass ich mich mit dieser Welt, die doch anders als die Welt in Justiz und Verwaltung ist, nicht nur hinsichtlich meiner Aufgabe als Kämmerer beschäftigen möchte.
Welche Bedeutung haben die Freilichtspiele für die Stadt?
Stöhr: Die Bevölkerung identifiziert sich mit ihren Festspielen und alle freuen sich, dass auch aus der Nachbarschaft sowie im weiteren Umkreis viele Besucher gerne zu den Vorstellungen kommen. Das Aufmerksamkeitspotenzial hat sich durch die Spiele sehr erhöht. Deren Dynamik hat sich auch auf andere Bereiche des städtischen Lebens übertragen und allgemein unseren Ruf als dynamisches Gemeinwesen vor den Toren Frankfurts gefestigt.
Was lässt sich der Magistrat die Festspiele kosten? Gibt es ein Defizit?
Stöhr: Im Doppelhaushalt 2019/2020 stehen Aufwendungen pro Jahr von 3,1 Millionen Euro. 24 000 Euro davon sind Abschreibungen zum Beispiel für Scheinwerfer sowie andere technische Anlagen. Auf der Einnahmeseite steht als größter Betrag die Kartenverkäufe in Höhe von rund zwei Millionen, sodass insgesamt ein Defizit von rund einer halben Million Euro anfällt. Die Investitionen der vergangenen Jahre zu Erhaltung der Burg belaufen sich auf sechs bis sieben Millionen Euro. Da das Ensemble allein schon für die Festspiele mehrere Monate genutzt wird, ist es weit mehr als nur ein denkmalgeschütztes historisches Gebäude. Wir bekommen Projektförderung durch den Kulturfonds RheinMain, in dem die Stadt nach einer Probephase nun ordentliches Mitglied wird. Wir sind im Bundesprogramm »Kultur macht stark« und bekommen auch vom Land Zuschüsse.
Döricht: Was mich unzufrieden macht. Ist das Ungleichgewicht, mit dem das Land Hessen seine Zuschüsse für die Festspielstätten verteilt: Wir in Bad Vilbel müssen uns zum Beispiel mit einem sehr bescheidenen Betrag im Vergleich zu Bad Hersfeld zufrieden gaben.
Wie lässt sich der Beitrag des Fördervereins beschreiben?
Döricht: Unsere Mitglieder und Förderer haben erheblich dazu beigetragen, dass das Festspielgelände einladender gestaltet und der Komfort für die Besucher gesteigert werden konnte - durch die Pflasterung des Innenhofes, durch bequeme Bestuhlung und Überdachungen. Im Gastronomiebereich schützen nun große Schirme vor Sonne und Regen. Wir haben anteilig Kosten für die Livemusik von Musical-Inszenierungen übernommen und bei der Modernisierung der Beleuchtungsanlage geholfen. Der Förderverein finanziert seit Jahren die Stelle für die Theaterpädagogik. Somit können an Schulen und Kindertagesstätten Besuche vorbereitet werden. Natürlich tragen wir auch dazu bei, dass durch den Sozialfonds, Kindern Theaterbesuche ermöglicht werden, deren Eltern dies nicht finanzieren können.
Stöhr: Ohne den Förderverein und andere Sponsoren hätten wir es nicht geschafft, bestimmte Entwicklungsschritte einzuleiten. Es ist eine eingespielte Partnerschaft zwischen Förderverein und Stadt. Es werden nicht nur Reparaturen ermöglicht, sondern auch Innovationen in Angriff genommen.
Bad Vilbel nennt sich seit einigen Jahren nicht nur mehr Quellenstadt, sondern Festspiel- und Quellenstadt. Hat die Kultur den Markenzeichen Bad und Quellenstadt etwas den Rang abgelaufen?
Stöhr: Nein, Das ist eine Ergänzung. Und eine gegenseitige Aufwertung. Das Heil- und Mineralwasser aus den Vilbeler Quellen ist seit Langem bekannt. Das Qualitätsmerkmal Bad steht außer Frage. Mit der zusätzlichen Bezeichnung Festspielstadt ist nicht nur die Spielzeit in der Burg gemeint, es ist ein Hinweis auf den gesamten Kulturbereich mit Veranstaltungen in der Alten Mühle, im Forum Dortelweil und in der Stadtbibliothek.
Was halten Sie von den immer mal wieder erhobenen Einwänden, dass diese Investitionen zulasten von anderen Bereichen wie der Sozialpolitik gehen?
Stöhr: Was heißt hier zulasten? Das ist faktisch nicht zu belegen. Ich verweise darauf, dass das Budget für Soziales mit dem Seniorenbüro, mit dem Kinder- und Jugendbüro im Lauf der Jahre mit hohen Steigerungsraten gewachsen ist - und zwar um einiges höher als das Budget für die Festspiele. Die Teilnahme an Kultur ist ein hohes Gut. Durch den Sozialfonds wird dies auch Kindern ermöglicht, die sonst ausgeschlossen wären. Es gibt Angebote für alle Generationen. Die Festspiele sind keine Veranstaltung für eine Elite. Wir haben, was die Finanzierung der Festspiele angeht, einen extrem hohen Deckungsgrad. Sicher dürfen wir auch weiterhin die Wirtschaftlichkeit nicht aus dem Blick verlieren.
Würden Sie sich manchmal gerne in die Arbeit des Intendanten einmischen?
Stöhr: Wir sind ja in ständigem Austausch. Claus Kunzmann holt unsere Meinung ein. Wir haben jede Woche ein Jour fix. Da wird diskutiert, wie die Kartenpreise sich entwickeln sollen, was Priorität hat bei der Verbesserung der Infrastruktur um die Burg. Es werden auch Ideen ausgetauscht, welche Stücke auf den Spielplan kommen. Entscheiden muss der Intendant dann selbst. Aber er tut dies ja nicht im eigenen Kämmerlein oder nach eigenem Gutdünken.
Döricht: Wir sind Ansprechpartner von Claus Kunzmann und er ist es für uns. Wir besprechen Vorschläge und Umsetzungsmöglichkeiten und auch wie wir die Prioritäten sehen.
Was wünschen Sie sich für die diesjährige Spielzeit?
Stöhr: Natürlich wünsche ich mir viele Besucherinnen und Besucher. Es wäre gelogen, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Aber noch mehr wünsche ich mir, zufriedene Gäste. Ich hoffe und freue mich darauf, wenn viele sagen, es war ein toller Abend, es hat sich gelohnt zu kommen und wir kommen gerne bald wieder.
Döricht: Was neue Besucherrekorde angeht, so ist ja kaum noch etwas möglich. Die Burgmauern lassen keine größere Tribüne zu. Der Terminplan ist nicht mehr zu erweitern. Was das Team leistet mit Umbauten für meistens zwei Vorstellungen pro Tag ist schon sensationell. Da sollte man realistisch sein. Wenn es wieder in Richtung 100 000 Besucher geht, bin ich voll zufrieden.