Zumindest ein gordischer Knoten ist seit einigen Monaten ja durchschlagen: Nach jahrzehntelangem Widerstand will jetzt auch die in Bad Vilbel regierende CDU die Straßenbahnlinie nach Frankfurt. Die Frankfurter hatten das schon jahrzehntelang vor, scheiterten aber am Nein aus Bad Vilbel.
Angesichts der Diesel-Fahrverbote will Frankfurts Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (CDU) nun auch ganz konkret die Buslinie 30 auf sauberen Antrieb umstellen. Die Linie fährt von Bad Vilbel durch die Frankfurter Innenstadt bis Sachsenhausen-Süd. Und die Dieselbusfahrten sollen im Abschnitt von der Friedberger Warte bis zum Lokalbahnhof durch zusätzliche Straßenbahnfahrten ersetzt werden. Das wollte Oesterling schon zu Ende 2019 realisieren, hatte zuletzt aber eine Gnadenfrist bis Ende 2020 verkündet. Dann erhält Frankfurt neue Straßenbahn-Fahrzeuge (diese Zeitung berichtete).
Es ist ein Manko, wenn der Bus nicht mehr durchgängig fährt
Grünen-Stadtverordneter Christopher Mallmann
Das Kappen des 30ers aber lehnen die Politiker in Bad Vilbel durch die Bank ab. Das dränge Pendler erneut ins Auto, kritisieren sie. »Es ist ein Manko, wenn der Bus nicht mehr durchgängig fährt«, betont Grünen-Stadtverordneter Christopher Mallmann. Seine Fraktion fordert deshalb 25 000 Euro für eine Machbarkeitsstudie zur Weiterführung der Straßenbahnlinie von der Friedberger Warte bis zum Bad Vilbeler Südbahnhof. Und die SPD beantragt sogar 50 000 Euro für eine solche Studie.
Widerstand von CDU, FDP und Freien Wählern
»Eine Reihe von Punkten sind ja nicht so einfach zu lösen«, sagt Mallmann, »zum Beispiel wie die Straßenbahn den Schöllberg bewältigt.« Dass dies technisch kein Problem sei, hatte Verkehrsdezernent Oesterling aber bereits beteuert. Wichtig wäre es für die Diskussion, »aufzuzeigen, wie die Frankfurter Straße aussieht, wenn die Straßenbahn dort auf einer eigenen Trasse rollt«, findet Mallmann.
Auf Widerstand stoßen Rote und Grüne aber bei CDU, FDP und Freien Wählern. »Wir sollten nicht so viel Geld alleine ausgeben, ohne vorher mit Frankfurt gesprochen zu haben«, findet FW-Stadtverordneter Martin Gecks. FDP-Fraktionschef Jörg-Uwe Hahn lehnt die Tram-Lösung kategorisch ab. »Ein immenser Aufwand« sei ihr Bau und sie sei »nicht flexibel«. Eine Straßenbahn sei »keine Lösung den Berg rauf und runter«, findet Hahn. Mit der Straßenbahn werde der Heilsberg »von der Linie« abgehängt, warnt CDU-Stadtverordneter Karl Peter Schäfer. Fahre diese entlang von Friedberger Landstraße und Frankfurter Straße, müssten die Heilsberger bis dorthin laufen.
»Uns liegt allen daran, den Verkehr zu verringern«, betont CDU-Fraktionsvorsitzende Irene Utter in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses. Allerdings sei kein Extra-Geld für eine Planung nötig: Bad Vilbels Verkehrsstadtrat Sebastian Wysocki (CDU) verfüge über ausreichend Planungsgelder. Außerdem sei eine solche Machbarkeitsstudie »nicht Sache von Bad Vilbel«. Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) sieht den Planungsverband Frankfurt am Zug: Dieser übernehme dieses Jahr die Stabsstelle Mobilität. »Dort sind solche ortsübergreifenden Lösungen richtig angesiedelt.«
Besser ein Park+Ride-Parkplatz?
Zusätzlich rudert Irene Utter in Sachen Straßenbahn vorsichtig zurück. Sie sei »skeptisch, dass es funktioniert«, die Bahn durch die Frankfurter Straße zu führen. »Womöglich ist dort zu wenig Platz.« Außerdem streut sie Zweifel am Nutzen einer solchen Lösung. Denn das Hauptproblem in Bad Vilbel sei ja, dass viel »Verkehr von außen hier durch muss«. Da stelle sich die Frage, ob eine Straßenbahn den Bad Vilbeler nutze oder nicht nur noch mehr Auswärtige anziehe, für die Bad Vilbel dann noch einen Park+Ride-Parkplatz benötige.
Der Schöllberg sei »sicher eine Herausforderung«, räumt SPD-Fraktionschef Christian Kühl ein, aber technisch machbar. »Ein spannendes Projekt.« Finanzierbar sei das Vorhaben auch, ist er überzeugt, da die Frankfurter die Strecke ja bis zur Stadtgrenze am Friedhof Heiligenstock bezahlten. »Erst von dort aus ist es von Bad Vilbel zu finanzieren.« Wenn allerdings bereits, wie von Irene Utter erklärt, Geld für die Planung vorhanden sei, dann ziehe die SPD auch ihren Antrag zurück, kündigt Kühl an.
Kommentar
Historische Chance
von Dennis Pfeiffer-Goldmann
Eine Straßenbahn für Bad Vilbel: Für die Stadt bietet sich gerade eine historische Chance. Für kleines Geld dürfte die Kommune den Anschluss ans Gleisnetz der benachbarten Metropole bekommen können. Eine Gelegenheit, um die viele Städte deutschlandweit die Bad Vilbeler beneiden dürften.Schließlich biete die Straßenbahn viele Vorteile. Die bequeme und schnelle Fahrt nach Frankfurt ist der wichtigste. Er dürfte auch die Bad Vilbeler Straßen spürbar entlasten: In der Fachwelt rechnet man mit 85 Prozent mehr Fahrgästen beim Umstellen einer Linie von Bus auf Tram. Und Fahrgäste dürften ja nicht nur in eine Richtung unterwegs sein. Zum Einkaufen nach Bad Vilbel? Kein Problem, wenn die Tram-Strecke am Biwer-Kreisel am Eingang in der Haupteinkaufsstraße endet. Das kann dem Handel einen Schub geben. Die Straßenbahn gilt zu Recht als zeitgemäß, weil wirtschaftlich. Schließlich ist die Investition bei weitem nicht so teuer wie in eine vollwertige U- oder S-Bahnstrecke. Und stadtraumfreundlich ist die Tram erst recht mit ihren nahezu ebenerdigen Bahnsteigen und der Möglichkeit, sie ganz simpel auf der Straße führen zu können. Die Gelegenheit ist zugleich gerade so günstig wie noch nie, die Straßenbahn quasi im Vorbeigehen mitzunehmen. Denn die Frankfurter müssen zwingend handeln, die Diesel-Krise drängt. Zugleich werden Bund und Land derzeit ihre Fördergelder für saubere Luft kaum los. Wieso also zögern die Bad Vilbeler Politiker noch? Setzt schnell das Signal auf Grün!