12. Juli 2021, 21:45 Uhr

Zahl der Ausbildungsplätze sinkt

Kreativ muss man sein, um junge Menschen für die Ausbildung im Unternehmen zu begeistern. Die Arbeitsagentur berät coronakonform online, Azubis bei der Kamax in Homberg erstellen Videos über moderne Ausbildung in der Metallverarbeitung. Und das Mücker Unternehmen MK-Versuchsanlagen setzt auf Azubi-Werbung mit einer Flyer-Kampagne.
12. Juli 2021, 21:45 Uhr
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Von Joachim Legatis
Ein Auszubildender der Kamax im Praxisteil der Ausbildung im Aus- und Weiterbildungszentrum in Homberg. FOTO: PM

Corona macht erfinderisch, Unternehmen und die Arbeits-Agentur zeigen sich kreativ in Sachen Ausbildungsplätze. Da erzählen junge Leute in einem Video-Blog, weshalb sie einen Ausbildungsplatz bei Kamax in Homberg gewählt haben. Die Firma MK Versuchsanlagen aus Mücke setzt auf Flyer, die im Bekanntenkreis der Mitarbeiter verteilt werden. Die Arbeitsagentur erprobt Digital-Formate, um mit Ausbildungsplatz-Suchenden und Arbeitgebern in Kontakt zu bleiben.

Denn das Hauptproblem ist, dass die Ausbildungsmessen ausgefallen sind. Corona-Schutz veränderte auch bei den laufenden Ausbildungen die Bedingungen. So hat Kamax in Homberg dualen Studenten und Auszubildenden in kaufmännischen Berufen mobiles Arbeiten ermöglicht, wie ein Sprecher mitteilt. In der Lehrwerkstatt des Unternehmens für Spezialschrauben wurde die Personenzahl der Anwesenden reduziert. Die Ausbilder haben Aufgaben erteilt, die im Home-Schooling erledigt wurden. Praktikantenplätze wurden längere Zeit nicht besetzt.

Ausgefallen sind Tag der offenen Tür, Schulbesuche und Ausbildungsmessen. Eine Alternative ist die Teilnahme an digitalen Ausbildungsmessen. Kamax-Azubis sind auch sehr aktiv bei einer Video-Blogger-Initiative (VLOGGER) von HessenMetall. In Videos geben sie Einblicke in Metall- und Elektroberufe. Sie zeigen die Möglichkeiten bei Kamax und Erfahrungen der Azubis auf. Mehr ist unter berufseinstieg- mit-hessenmetall.de zu sehen.

Unter den neuen Ausbildungsstellen sind auch zusätzliche Berufe, um den Anforderungen an mehr Digitalisierung zu entsprechen. Beispiele sind Elektroniker für Automatisierungstechnik sowie der Studiengang Softwaretechnologie. Rund 20 Azubis und duale Studenten gibt es bei Kamax. Die Nachwuchskräfte erhalten nach dem Abschluss ein Übernahmeangebot bei Kamax, so berichtet der Unternehmenssprecher.

Mit einer Beilagen-Kampagne in Zeitungen und Anzeigenblättern wirbt das Mücker Unternehmen MK Versuchsanlagen um angehende Elektroniker, Produktdesigner Maschinenbau und Kunststoffmechaniker. »Wir haben einen Flyer 30 000-mal herstellen lassen«, sagt Sprecher Ulrich Vössing. Es war in Corona-Zeiten schwieriger junge Leute zu erreichen. So konnte man nicht in Schulen informieren und keinen Orientierungstag im Betrieb anbieten.

Das Unternehmen aus Merlau stellt Laboreinrichtungen aus Kunststoff und Handschuhprüfgeräte her. »Es gibt nicht so viele, die wissen, dass es uns gibt.« Ein Zusatzproblem: Azubis sind meist um die 16 Jahre alt und haben kein Auto, um längere Strecken zurückzulegen. Deshalb sucht man im Umkreis von zehn bis 15 Kilometern. Positiv ist der Bahnhof im Ort.

Und man vertraut in dem Familienbetrieb auf persönliche Kontakte. So geben viele der 150 Mitarbeiter im Freundeskreis die Azubi-Flyer weiter. »Da betreiben wir eine Art Empfehlungsmarketing«, sagt Vössing. Aktuell arbeiten 22 Azubis im Betrieb mit.

Noch offene Stellen

Einzelne Ausbildungsplätze für dieses Jahr sind noch frei, ansonsten sucht man bereits für den Ausbildungsstart im nächsten Jahr. Neben technischen und kaufmännischen Plätzen stehen auch einige für Studierende der TH Mittelhessen bereit. Sie können an der Konstruktion metallfreier Reinraumlabore mitarbeiten und dabei ihre Bachelorarbeit erstellen.

Auch die Arbeitsagentur Gießen-Vogelsberg muss neue Wege gehen, um junge Leute zu erreichen. Dabei schlagen sich die erschwerten Bedingungen nur teilweise in den Zahlen nieder, wie eine Sprecherin der Agentur sagt. So waren im Juni 615 Bewerber auf einen Ausbildungsplatz im Vogelsbergkreis gemeldet. Das waren nur 23 Bewerber oder 3,6 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahr. Den Bewerbern standen im Juni 596 gemeldete Ausbildungsstellen gegenüber. Im Vorjahr wurden 100 oder 14,4 Prozent Ausbildungsstellen mehr gemeldet.

In verschiedenen Berufsbereichen gibt es noch offene Ausbildungsstellen mit Beginn in diesem Jahr. Von Koch und Bäcker über Kfz-Mechatroniker, Anlagenmechaniker und Elektroniker bis hin zu Berufen im Einzelhandel und im Hotelgewerbe ist die Bandbreite weiterhin groß.

Coronabedingt bekommen die Aktionen ein etwas anderes Profil. So hat die Berufsberatung zur »Last-Minute«-Beratung über freie Lehrstellen und Einstiegsqualifizierung per Video eingeladen. Es gab eine Online-Veranstaltung für Eltern der Schulabgänger.

Jüngst gab es für Arbeitgeber eine Online-Info-Veranstaltung zur Ausbildungsprämie. Die Prämie des Bundes soll Betriebe darin bestärken, Jugendliche auszubilden. Denn das Angebot geht zurück.

»Arbeitgeber im Vogelsbergkreis meldeten aufgrund der Corona-Krise und den damit verbundenen Auswirkungen und Unsicherheiten nach derzeitigem Stand etwa 13 Prozent weniger Ausbildungsstellen als in den Vorjahren«, sagt Stefan Schober, Teamleiter Arbeitgeber-Service. Dennoch gebe es auch im Vogelsbergkreis noch eine Vielzahl an interessanten Lehrstellen mit Beginn in diesem Jahr.



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