08. Juni 2021, 21:17 Uhr

Was geschah auf Baum A 42?

Tag zwei im Prozess gegen die unbekannte Baum- besetzerin vom Dannen- röder Forst: Gegenüber saßen sich UWP1 (Unbekannte weibliche Person eins) und die Polizisten K 214, D 111 und D 333. Einer der Polizeibeamten, die im November die Baumbesetzerin von einer Buche holten, sagte, er habe Ähnliches noch nicht erlebt: »Mir schlug Hass entgegen.«
08. Juni 2021, 21:17 Uhr
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Von Kerstin Schneider
Wie schon am ersten Verhandlungstag demonstrieren am Dienstag wieder Unterstützer der »Danni-Aktivisten« vor dem Alsfelder Amtsgericht und fordern die Freilassung der inhaftierten Baumbesetzerin. FOTO: KS

Am zweiten Verhandlungstag am Alsfelder Amtsgericht gegen die Baumbesetzerin, die ihren Namen auch weiterhin nicht sagen will, ging es wieder nur sehr langsam voran. Im Mittelpunkt standen die Aussagen dreier Polizisten eines Sondereinsatzkommandos aus Köln und Düsseldorf zu den Vorgängen am 26. November.

Die jungen sportlichen Beamten traten im Gerichtssaal in einer Art Armeekleidung und mit Sturmhauben vermummt auf, die nur die Augen frei ließen. Bei einer Enttarnung müssten sie um ihr Leben fürchten, hieß es zur Begründung. Nicht nur weil sie in Nordrhein-Westfalen teilweise in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingesetzt werden. Auch weil man an die Szene rund um die Aktivisten denken müsse, »denen es um politisches Märtyrertum geht«, wie Christoph Arnold, der Zeugenbeistand der Polizisten, äußerte.

Der Verteidiger der Angeklagten, die sich selbst nur »Ella« nennt, Tronje Döhmer, forderte jeweils, die Männer müssten ihr Gesicht zeigen, was das Gericht in jedem Fall ablehnte. Denn es liege eindeutig eine Gefährdung vor. Ein Sichtschutz, wie Döhmer vorschlug, reiche nicht, auch weil zwei Teilnehmer der Verhandlung, die als Berater zugelassen sind, zur Aktivistenszene gehörten. Sie hätten die Gesichter der Zeugen sehen können. Einer der Polizeibeamten, die als Zeugen aussagten, war mehrfach im Dannenröder Wald im Einsatz, er sprach von überwiegend guten Erfahrungen. Der Großteil der Aktivisten sei bis auf kleinere Reibereien kooperativ gewesen.

Am 26. November kletterte er auf die massive Buche (im Polizeieinsatz mit Nummer A 42 bezeichnet), um die Angeklagte auf den Boden zu holen. Auf eine Ansprache in Deutsch habe sie nicht reagiert, sie habe versucht zu flüchten und auf Englisch Schimpfworte ausgestoßen. Als er sie erfasste, habe sie sich wild gewehrt und heftig getreten. Weil er nur mit Steigeisen gesichert war, habe er in dem wilden Gerangel mehrfach Todesangst empfunden und überlegt, den Einsatz abzubrechen, berichtete der Beamte. »Mir schlug auf der anderen Seite Hass entgegen.« Ein zweiter Beamter, der inzwischen hochgestiegen war, half die Frau zu fesseln. Beide Polizisten sagten, sie seien verletzt worden.

Verteidiger Tronje Döhmer stellte den Polizeibeamten anschließend viele Fragen, von der nach einem ärztlichen Attest über die Art der Handschuhe, die sie trugen, bis zur Art der Ausbildung und zur Bodenbeschaffenheit rund um die Buche. Andere Teilnehmer der Verhandlung wie Richter oder Staatsanwältin reagierten teilweise sichtlich genervt, während Döhmer mangelnden Respekt vor der Verteidung bemängelte, »was ich aus politischen Gründen verstehen kann«.

Auf eine Frage antwortete einer der Beamten im Zeugenstand, er könne sich nicht erinnern, wie er vom Baum wieder auf den Boden gelangt ist. Döhmer verlangte auch, einen der Zeugen zu vereidigen, weil der Polizeibeamte Falschaussagen gemacht habe. Das Gericht wies das zurück.

Der zweite SEK-Beamte aus Düsseldorf berichtete, die Angeklagte habe ihm einen Stoß auf die Nase versetzt, nachdem er seinem Kollegen im Baum zu Hilfe gekommen war. Zudem äußerte er sich zur Einschätzung Döhmers, mit Einsatz des Hubwagens hätte der Klettereinsatz vermieden werden können.

Aus seiner Sicht hätte der Hubsteigereinsatz nicht viel gebracht, weil die Angeklagte über die vielen gespannten Seile schnell auf einem anderen Baum gewesen wäre. Weitere Fragen bezogen sich unter anderem auf einen Elektroschocker-Einsatz, welcher der Angeklagten angedroht worden sei.

Ein dritter Polizeibeamter, der aussagte, befand sich zum Tatzeitpunkt auf einem Hubsteiger. Aus einem Baumhaus heraus habe eine Frau Öl und Urin auf die Einsatzkräfte gekippt, die Frau sei später vom Seil auf den Boden geholt worden, »das war hundertprozentig die gleiche«.

Haftentlassung abgelehnt

Zu Beginn des Verhandlungstages hatte Richter Dr. Bernd Süß aus einem Beschluss des Oberlandesgerichtes Frankfurt vorgelesen, das eine Haftbeschwerde zurückgewiesen hatte. Die Angeklagte, die seit rund einem halben Jahr in Frankfurt in der dortigen Justizvollzugsanstalt einsitzt, leide an Depressionen, Schlaflosigkeit, Ängsten und einem »Ökotrauma« und müsse aus der Haft freikommen, so ihr Anwalt. Die Frau könne nicht aus dem Gefängnis entlassen werden, weil die Gefahr besteht, dass sie untertaucht und weitere Aktionen plant, »um ihre Überzeugung zu vertreten«, so die Richter.

Die Verhandlung geht nächste Woche weiter, dann wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein weiterer Verteidiger dazukommen. Aus Sicht von Staatsanwältin Fischer ist »die ordnungsgemäße Verteidigung der Angeklagten derzeit nicht gewährleistet«.



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