05. Dezember 2022, 22:12 Uhr

Kunst aus uralten Hölzern

05. Dezember 2022, 22:12 Uhr
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Von Herbert Schott
Dr. Siegfried Modra inmitten seiner Skulpturen in Stumpertenrod. Diese können Interessierte am Sonntag in seinem Haus besichtigen. FOTO: HSO

Ein historisches Fachwerkhaus voller Skulpturen, Klein- und Flachplastiken. Dieses befindet sich in der Hintergasse 2 in Stumpertenrod und wird am Sonntag, 11. Dezember, einmalig für Besucher seine Türen öffnen. Interessierte können von 10 bis 16 Uhr auf zwei Etagen die Kunstwerke aus Tausende Jahre alter Moor-eiche, unversteinertem fossilen 14 bis 16 Millionen Jahre altem Holz und seltene archäologische Funde bewundern. Der Holzgestalter Siegfried Modra präsentiert Hunderte seiner Werke bis zu zwei Meter Höhe. Alle größeren Skulpturen bis drei Meter stehen zurzeit in Darmstadt.

Spezielle Methoden

Im Gespräch mit dieser Zeitung bezeichnete sich der Künstler als »Zigeuner« und als nirgends heimisch gewordenes, widerspenstiges Relikt aus der Kriegszeit, das von den »normalen« Folgen der Katastrophen, den erzwungenen Wohnortwechseln, den irren Wirren der Nachkriegszeit, der andauernden Besatzung und der Teilung sowie den Bedingungen der Wiedervereinigung Deutschlands maßgeblich beeinflusst wurde.

»Wald und Holz« prägten ihn in der Kindheit, seien aber auch in seinen Genen verankert. Es hat sich von selbst ergeben, sagt Modra, dass er sich als Gestalter auf seltene und extrem alte Hölzer spezialisiert hat. Mooreichen kannte er aus seiner Kindheit, die nach dem Krieg in der Dübener Heide beim Torfabbau in den Mooren und bei Erdarbeiten zufällig gefunden wurden. Umgeben von Holz, Tischlern und Stellmachern ist er aufgewachsen. So kam es, dass er in gewerblichen Betrieben die herkömmliche Metall- und Holzbearbeitung und die »freie Holzbearbeitung« beim Bildhauer erlernte.

Modra studierte Maschinenbau, promovierte und hat jahrzehntelang sowohl wissenschaftlich als auch handwerklich künstlerisch im In- und Ausland gearbeitet. Mit zunehmendem Alter hat er sich ganz auf die Gestaltung und Konservierung alter Hölzer konzentriert. Mooreichen sind dabei sein bevorzugtes Arbeitsmaterial, sagt Modra. Soweit verfügbar, beschäftige er sich auch mit archäologischen Funden, voreiszeitlichen Holzfunden, unversteinerten fossilen Hölzern und Xylit. Seltene, geschichtlich interessante Holzteile oder einmalige Jahrtausende oder Jahrmillionen natürlich erhalten gebliebene Baumstücke gestaltet und konserviert er, um die Besonderheiten dauerhaft zu bewahren.

Heimische Hölzer der Gegenwart verwendet der Gestalter vorwiegend für seine Entwürfe oder für Kleinplastiken zur unauffälligen Umsetzung ernster Anliegen sowie für »reine« Kettensägearbeiten.

Bei den gefunden alten, sehr unterschiedlichen Holzstücken werden oft spezielle Bearbeitungsmethoden erforderlich. Verschiedene Techniken der Bildhauerei lassen sich hier nicht anwenden, aber es ergeben sich andererseits auch völlig neue Möglichkeiten der Formveränderung: Neben den klassischen Bildhauerwerkzeugen verwendet Modra eigengefertigtes Zubehör. Hier ist dann sein Können als Werkzeugmacher der alten Schule gefragt.

Alle Skulpturen und Kleinplastiken sind bei ihm reine Handarbeit und die Oberflächen werden ohne Schleifen oder Polieren geschaffen. Die Skulpturen und Kleinplastiken sind aufgrund der unverwechselbaren Merkmale bei Modra »Unikate« und ein Beitrag zur Erhaltung von »Naturphänomenen« oder weit zurückliegenden kulturellen Gegebenheiten und fast vergessenen Ereignissen. Die vorgefundenen Färbungen der Hölzer bleiben unverändert. Bei derGestaltung werden alle charakteristischen Bearbeitungsmerkmale als »Handschrift« deutlich erkennbar einbezogen. Für Modra ist es immer eine Herausforderung, die infolge der extremen Lagerbedingungen unter Wasser, Erdreich oder in Mooren entstandenen Veränderungen, mit seinen gestalterischen Eingriffen zu einer harmonischen Einheit zu verbinden.



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