16. September 2021, 21:33 Uhr

Lesung in Friedberg und Nidda

Katja Ebstein: Prägende Begegnungen literarisch verarbeitet

Katja Ebstein war als Nobody plötzlich weltweit auf der Bühne unterwegs und wurde international bekannt. Musik, Theater, Musical, Literatur: Jetzt hat sie ihr erstes Buch veröffentlicht.
16. September 2021, 21:33 Uhr
Katja Ebstein hat ihr erstes Buch veröffentlicht: Es geht um Begegnungen in ihrem Leben: »Gute Begegnungen sind Lebenselixier. Balsam für die Seele, Futter für Herz, Kopf und Verstand«, sagt sie. FOTOS: JIM RAKETE/VERLAG

Sie macht das, was sie für richtig hält, was sie vor sich verantworten kann und ihren Zuhörern vermitteln möchte. Katja Ebstein, durch ihre Musik, durch Theater und Musicals international bekannt, geht jetzt auch literarische Wege.

Sie hat ihr erstes Buch veröffentlicht, aus dem sie in Nidda und Friedberg lesen wird. Ein Buch über Begegnungen, die ihr Leben geprägt haben und sie zu der Persönlichkeit werden ließen, die sie heute ist: Eine Künstlerin mit Herz und Haltung.

Sie sagen, Sie scheren sich nicht um Quoten und Marktanalyse. Und machen das, wovon Sie überzeugt sind. War das schon immer so?

Kann man so sagen. Kompromisslose Kunst wollte ich machen in Sachen Malerei und Bildhauerei. Leider brotlos - wie man so schön sagt. Und wir waren zu Hause nicht gerade auf Rosen gebettet.

Wie haben Sie den Weg ins Musikbusiness geschafft?

Als Schülerin habe ich mir Taschengeld als Backgroundsängerin verdient und wurde vom Produzenten des Jazz-Saxofonisten Klaus Doldinger angesprochen, der für das US-Label United Artist Künstler suchen sollte. Die brauchten mehrsprachige Leute. So haben wir auf Englisch, Französisch und Spanisch Songs von Beatles bis Dusty Springfield zur Probe aufgenommen. Die Antwort aus Los Angeles war ein Anfängervertrag. Und dann ging es los.

Stichwort Deutsch: Sie singen Deutsch. War und ist Ihnen das wichtig?

Ich wollte immer Deutsch singen, damit die Texte von allen verstanden werden. Nur wenige in Deutschland sind des Englischen mächtig.

Durch Ihre Teilnahme und dem jeweils dritten Platz beim Grand Prix 1970 und 1971 und dem zweiten Platz 1980 sind Sie schlagartig berühmt geworden. Wie war diese Zeit?

Für mich als Neuling sehr spannend. Wir sind international gestartet. Plötzlich war ich weltweit auf Bühnen unterwegs.

Wer hat Sie gefördert?

Gemeinsam mit James Last hatte ich meine erste Tour durch Europa.

Ihr erstes Buch heißt »Das ganze Leben ist Begegnung«. Wieso haben Sie es geschrieben?

Jahrelang kamen Autobiografieanfragen verschiedener Verlage. Meine Reaktion: Solang ich so umtriebig arbeite wie jetzt, sehe ich kein Motiv für biografische Auslassung. Vielleicht, wenn ich die 90 erreiche. Nachdem sich die Anfragen häuften, kam mir die Idee mit den Begegnungen.

Gibt es Begegnungen, die Ihnen besonders in Erinnerungen geblieben sind?

Natürlich sind mir alle Begegnungen mit diesen besonderen Zeitgenossen sehr gegenwärtig, sonst wäre das Buch nie entstanden. Wie etwa der Dalai Lama, Nelson Mandela, Rudi Dutschke. Benno Ohnesorg traf ich auf der Nordseeinsel Amrum.

Wie kam das?

Dort bin ich als Siebenjährige »Großstadtbleichnase« zur Aufpäppelung mit der Kinderlandverschickung hingekommen. Und mit 16 wollte ich in den Schulferien wieder dorthin, konnte mir die teure Nordsee nicht leisten. Auf die Frage, ob ich im gleichen Heim arbeiten dürfe, gab es positiven Bescheid. So waren die Ferien gerettet. Und in der Jugendherberge neben dem Kinderheim traf ich Benno Ohnesorg. Seither waren wir Freunde.

War diese und weitere Begegnungen wichtig für ihr politisches Engagement?

Politisch war ich sehr früh unterwegs, unabhängig von anderen Einflüssen. Allerdings haben wir vieles von unseren Eltern mitbekommen, wenn es um gerechtes Denken und Handeln ging. Und vor allem, sich einzusetzen für andere. So waren wir gegen atomare Bewaffnung, den Vietnam-Krieg, den Mauerbau und später dann für die Friedensbewegung auf der Straße.

Sie setzen sich weiter ein: Für Not leidende Kinder, Geflüchtete oder den Umweltschutz.

Wenn keiner vorangeht, fängt keiner an. Derzeit pflanzen wir Bäume in Brandenburg, auch schon etwas größere, um eine vitale Lausitzer Seenlandschaft zu begrünen. Und da gibt es viele weitere Pläne in dieser Richtung. Früher waren das dort ehemaligen Braunkohleabraumhalden.

Ihr Verein »Aktion Umwelt für Kinder und umweltgeschädigte Jugendliche« hilft seit Jahren. Wie kam das?

1992 haben mein Mann und ich Kinder aus millieugeschädigten Familien in der Ex-DDR und Waisenkinder nach Amrum - auf »unsere Insel« - geholt. Nachdem die sich so gut erholt hatten, wurde der Verein gegründet.

Die Situation Geflüchteter liegt Ihnen ebenfalls am Herzen.

Angela Merkels Willkommenshaltung war zutiefst christlich, ohne zu wissen, wie viel Konsequenz daraus folgen würde. Ich hätte es genauso gemacht. Ihre spontane Reaktion war für mich einfach nur normales, mitmenschliches Handeln. Man kann die Menschen schließlich nicht einfach absaufen lassen. Trotzdem verstehe ich die Angst mancher Bürger vor einer »Islamisierung« in Deutschland. Die Annäherung untereinander ist nicht immer einfach. Das darf aber nicht zu noch mehr Rechtsruck führen. Und wir sehen, wie aggressiv die neu erwachten Rechten in Deutschland vorgehen. Das geht ja bis zum Mord.

Sehen Sie das aktuell?

Das sieht man bei den Veranstaltungen der Rechten, wo die Polizei scheinbar hilflos daneben steht. Jetzt kommt noch die Pandemie und die Meinung von »Querdenkern« oder Impfgegnern dazu. Das halte ich für brandgefährlich.

Haben Sie Angst vor zunehmender Radikalisierung?

Ich bin seit Jahren gegen ein Vergessen unterwegs. Auch durch den Dichter Heinrich Heine.

Sie haben Gedichte von Heinrich Heine, Bertold Brecht und Frauenlyrik zum Klingen gebracht

1975 habe ich mit der Heinrich-Heine-Gesellschaft einen Heine-Zyklus in der Vertonung von Christian Bruhn veröffentlicht. Heine ist mein Alter Ego.

Sie haben große Musical- und Filmmelodien gesungen, Fernsehen gemacht und Theaterhauptrollen gespielt.

Als »Quereinsteigerin« bin ich sozusagen zum Theater gekommen. In »Professor Unrat« von Heinrich Mann hatte ich am Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg meinen Einstieg mit der Hauptrolle der Rosa Fröhlich, dem sogenannten blauen Engel. Es folgten viele weitere Theaterengagements und viele Rollen in Musicals.

Was möchten Sie mit Ihrem ersten Buch erreichen?

Das Buch soll Anregung und Inspiration sein. Gute Begegnungen sind Lebenselixier. Balsam für die Seele, Futter für Herz, Kopf und Verstand.

Wie läuft es für Sie?

Ich darf mit meiner Meinung auf der Bühne stehen. Durch die Texte von klugen Köpfen. Von Klassikern oder Zeitgenossen.

Wie sehen Sie Ihre Rolle?

Als Transmitter von eigenen Erkenntnissen und denen unterschiedlicher Zeitgenossen. Mit dieser Aufgabe bin ich am stärksten in meinem Zentrum, also bei mir gelandet.

Was heißt das für Sie?

Ich kann auf der Bühne das Schwere leichter sagen als früher und mit meiner Art der Arbeit den Menschen Mut machen und Hoffnung vermitteln. Das ergibt für mich Sinn.



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