01. März 2021, 07:00 Uhr

Für dauerhaften Protest

Der Widerstand vom unten gegen den Bau der A 49 geht weiter. Aktivisten und Umweltschützer aus der Region planen ein bundesweites Klimacamp. Kritik gibt es an der Polizei.
01. März 2021, 07:00 Uhr
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Von Joachim Legatis
Auch bei Eisregen und im Schnee bleiben Umweltaktivisten im A 49-Protestcamps bei Dannenrod. FOTO: JOL

Im Eisregen und bei Dauerkälte haben sie mehrere Tage auf Plattformen ausgeharrt, um Bäume im Maulbacher Wald vor der Abholzung zu schützen. Die Aktivistinnen und Aktivisten gegen den Bau der Autobahn A 49 sind auch nach der Räumung der Baumdörfer im Dannenröder Forst nicht aus der Gegend verschwunden. Im Gegenteil, gemeinsam mit den Umweltschützern des Aktionsbündnisses »Keine A 49« führen sie den Widerstand von unten gegen das Betonband fort.

So herrscht weiterhin reger Betrieb im Protestcamp am Ortsrand von Dannenrod. Die »Küche für Alle« hat geöffnet, »möchtest Du etwas essen, wir haben einen hervorragenden veganen Eintopf«, fragt ein junger Mann freundlich. Auf einer Wiese erstreckt sich eine kleine Zeltstadt, dazwischen einige Wohnwagen und Campingbusse. Im Info-Zelt steht ein Aktivist für Nachfragen bereit. Die in das Gesicht gezogenen Schals der Baumbesetzer sind inzwischen den Hygienemasken gewichen, ob das auch dazu dient, anonymer zu bleiben, ist nicht so ganz klar. Jedenfalls sind die Aktivisten immer noch mit Pseudonymen unterwegs. So erzählt »Hedwig«, nach der Eule von Harry Potter, von einem geplanten Klima-Camp, der Einbindung in die Klimagerechtigkeitsbewegung und dem Betrieb im Protestcamp.

Eine größere Aktion soll das Klimacamp vom 9. bis 18. April werden. In Dannenrod werden Vorträge und Gespräche zur Mobilitätswende, zur Klimakrise, zu Aktionen an anderen Orten, Rassismus und anderen Themen laufen. »Das soll ein Ort der Vernetzung sein«, sagt Aktivist. Erfahrungen, die bei Aktionen an anderen Orten gemacht werden, sollen dabei einfließen.

Überregional aktiv

Aktuell ist bereits die »Initiative Bildungszweige« damit beschäftigt, das Wissen zu sammeln, das im Camp und bei den Aktionen im »Danni« gewonnen wurde. Die Bewohner des Protestcamps sind in die Aktionen gegen den Autobahnbau eingebunden. Dazu zählen größere Aktionen wie die jüngste Baumbesetzung bei Maulbach, aber auch das Organisieren der Mahnwachen und Kundgebungen gegen weitere Baumfällarbeiten. Dokumentiert werden auch die weiteren Arbeiten auf der Autobahntrasse.

Eine Initiative bereitet Aktivitäten für Kinder und Jugendliche vor. Dabei geht es vorwiegend um das Erkunden der Natur. Eine andere Gruppe beschäftigt sich mit ökologischer Baubegleitung. Die Organisation des Protestcamps selbst mit seinen vielen Besuchern erfordert ebenfalls einige Zeit. Im Plenum werden die Aufgaben verteilt, ganz wichtig ist dabei die »Küche für Alle«, die Küfa. »Hedwig« ist froh, dass sich immer genug Menschen finden, die gerne kochen oder andere Aufgaben übernehmen.

Dabei ist das Protestcamp Teil eines größeren Zusammenhangs. »Mit Fridays for Future gibt es einen fließenden Übergang, wir sind Teil der Bewegung«, betont der Aktivist. In engem Austausch steht man mit dem Umweltbündnis »Wald statt Asphalt« und den Unterstützergruppen aus der Region. Toll findet er die Unterstützung durch Bewohner der umliegenden Dörfer, die Brennholz, Kanthölzer, Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs vorbeibringen.

Diese breite Vernetzung macht den Einsatz gegen den Bau der Autobahn aus. »Es ist absehbar, dass die Bewegungen gegen Autobahnbau und andere Zerstörungen von Natur an viel mehr Orten auftreten.« So steht man in Kontakt mit dem Protest gegen den Bau der A 44 in Nordhessen.

»Das Protestcamp soll dauerhaft bestehen bleiben«, ergänzt Barbara Schlemmer, Sprecherin des Aktionsbündnisses »Keine A 49«. Das Klimacamp im April soll die Basisinitiativen zusammenbringen, um über den öffentlichkeitswirksamen Widerstand zu beraten. »Der Danni ist zu einem Symbol geworden«, weil eine lokale Naturzerstörung bundesweit diskutiert wurde.

Aktuell ist das Bündnis stark mit rechtlichen Fragen beschäftigt. So ist die geplante Rodung im Maulbacher Wald nicht im Planfeststellungsbeschluss enthalten. Schlemmer ist überzeugt, dass nur das entschlossene Auftreten der Umweltschützer eine illegale Abholzung verhindert hat. Auch das Logistikzentrum von Polizei und Baufirma steht ohne Genehmigung in der Landschaft - und das in einem Land, in dem jede Gartenhütte genehmigt werden muss.

Abgeordnete des Parlaments der Europäischen Union wollen eine Überprüfung des A 49-Genehmigungsverfahrens. Da gebe es erhebliche formale Fehler.

Kritik an Polizei

Es treibt Schlemmer um, wie ihr Verständnis des Rechtsstaats gelitten hat. »Uns wird vorgeworfen, uns nicht an die rechtsstaatlichen Regeln zu halten, aber wir sehen Verstöße durch die staatlichen Planungsbehörden.« So soll ein Betonwerk bei Stadtallendorf errichtet werden, das nicht im Planfeststellungsbeschluss enthalten ist. Die neuen Rodungen bei Maulbach sollten klammheimlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgezogen werden. Entlang der gerodeten Fläche im Dannenröder Forst werden weiterhin Bäume gefällt, immer wieder abends um 21 Uhr. »Am nächsten Morgen sind die Bäume gefällt und abtransportiert und der Bauzaun ist ein Stücke weiter gerückt.« Das sei höchstwahrscheinlich nicht durch den Planfeststellungsbeschluss gedeckt.

Das massive Vorgehen der Polizei hat bei vielen Bewohnern der Region »traumatische Folgen« gezeigt. »Viele trauen sich nicht mehr in den Wald, die Menschen werden eingeschüchtert.« So habe kürzlich ein Mädchen beim Spaziergang mit der Familie eine PET-Flasche über den Bauzaun zu anderem Müll geworfen. Ergebnis war ein Polizeieinsatz, bei dem sich das Mädchen ausziehen musste, ebenso der zu Hilfe eilende Vater. Andere Besucher werden von Polizisten angezeigt, weil sie im Wald spazieren gehen und die Polizei einen willkürlichen »Sicherheitsbereich« gesperrt haben will.



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