31. März 2021, 21:37 Uhr

Aktivistin bleibt in Haft

31. März 2021, 21:37 Uhr
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Aus der Redaktion
Eine Aktivistin hängt im vergangenen Herbst im Maulbacher Wald in einer Hängematte in einem Baum. Der Konflikt um den Ausbau der Autobahn 49 hatte hohe Wellen geschlagen. Noch immer ist eine Frau in Untersuchungshaft, die sich an Baumbesetzungen beteiligte (nicht auf diesem Bild zu sehen). FOTO: DPA

Alsfeld - Nach einem der größten Polizeieinsätze in der hessischen Geschichte ist auch die juristische Aufarbeitung der Räumungen im Dannenröder Forst langwierig. Wie einige Medien bereits berichteten, sitzt eine Aktivistin seit rund vier Monaten in Untersuchungshaft, weil sie ihren Namen nicht preisgeben möchte.

»Das ist für uns auch neu«, gestand ein Sprecher des Amtsgerichts Alsfeld. Das Gericht hatte am Freitag die weitere Unterbringung der jungen Frau verfügt, die im Verdacht steht, bei der Räumung eines Camps nach einem Polizisten getreten zu haben.

Da ihre Personalien nicht bekannt sind, fürchtet die Staatsanwaltschaft Gießen Fluchtgefahr. »Wir haben von der jungen Dame nichts außer einer Gefangenennummer«, sagte der Sprecher des Amtsgerichts weiter. Bei den Polizeieinsätzen von Oktober bis Dezember 2020 waren nach Angaben von Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) 20 Polizisten durch Angriffe von Protestierenden verletzt worden. Die Polizei ermittelt aber nicht nur wegen der Angriffe und Landfriedensbruchs, sondern versucht auch, einen Teil der immensen Kosten, die bei den Einsätzen entstanden sind, wieder hereinzuholen.

So bekam nach Polizeiangaben eine »niedrige dreistellige Zahl« von Personen Bußgeldbescheide zugeschickt. Bei der dafür notwendigen Identifizierung der Adressaten war die Polizei ungewöhnliche Wege gegangen. Denn viele der Aktivisten versuchten, ihre Identität zu verschleiern. Ausweisdokumente hatten sie keine dabei, die Fingerkuppen waren eingeritzt oder mit Sekundenkleber versiegelt, um bei der erkennungsdienstlichen Behandlung keine brauchbaren Abdrücke zu hinterlassen. Zudem hatten viele ihre Gesichter bemalt und zogen bei Fotoaufnahmen Grimassen.

Um die Identitäten dennoch feststellen zu können, setzte die Polizei sogenannte Super Recognizer (»Super-Erkenner«) ein. Dabei handelt es sich um Polizeibedienstete, denen besondere Fähigkeiten bei der Wiedererkennung von Gesichtern zugerechnet werden. Die sogenannten Super-Erkenner bekamen Bilder aus früheren erkennungsdienstlichen Behandlungen und aus dem Dannenröder Forst nebeneinander gelegt und sollten sagen, ob es sich um dieselbe Person handelt. Auf dieser Grundlage wurden dann die bislang mehr als 100 Bußgeldbescheide verschickt.

Bußgeldbescheide verschickt

Bei der »Frankfurter Rundschau« hatte sich dieser Tage eine dieser Personen gemeldet und angegeben, 125 Euro zahlen zu sollen, weil sie sich geweigert habe, ihre Personalien anzugeben. Die Person beteuerte allerdings, noch nie im Dannenröder Forst gewesen zu sein.

Das Vorgehen, Bußgeldbescheide auf der Grundlage einer solchen Gesichtserkennung zu verschicken, hält der Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes für fragwürdig: »Das ist dünnes Eis, auf das sich die Polizei da begibt.« Der Kriminologe Tobias Singelnstein spricht von einem »ungewöhnlichen Vorgehen«. Letztlich sei es eine Frage der Beweiswürdigung des Gerichts und wie eine Zeugenaussage zu werten.

Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelhessen räumt ein: »Wir wissen schon, dass es Rechtsstreitigkeiten geben wird, eine Fehlerquelle kann man nie ganz ausschließen.« Die Höhe der Gebühren in den Mahnbescheiden errechne sich danach, wie viel Polizei und Material notwendig gewesen sei, um die jeweilige Person vom Baum zu bekommen.

Im Falle der noch in Haft sitzenden Frau war bislang keine Identifikation möglich. Zur Feststellung weiterer Identitäten dauerten die Ermittlungen noch an, hieß es beim Polizeipräsidium Mittelhessen.

Im Zusammenhang mit Protesten gegen den Lückenschluss der A 49 hat die Polizei mehr als 450 Straftaten und rund 1550 Ordnungswidrigkeiten festgestellt. Dazuzählen 46 Fälle von Landfriedensbruch. Sachbeschädigungen wurden in 41 Fällen registriert

Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr wurden 39-mal aufgenommen. Zudem wurden 65 Widerstandshandlungen gegen Polizistinnen und Polizisten sowie vier tätliche Angriffe auf Polizeibeamte registriert. OLIVER TEUTSCH



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