17. Juli 2019, 11:00 Uhr

Doppelter Präsident

Mukherjee: »Mein Hauptamt wird nicht leiden«

Die Justus-Liebig-Universität und gleichzeitig den Deutschen Akademischen Austauschdienst leiten? Das geht, sagt Joybrato Mukherjee, Präsident der JLU und künftig auch des DAAD, im Interview.
17. Juli 2019, 11:00 Uhr
JLU-Präsident Joybrato Mukherjee findet Internationalisierung wichtiger denn je in Zeiten, »in denen manche Kreise weltweit auf Abschottung setzen«. (Foto: Schepp)

Warum wollten Sie DAAD-Präsident werden?

Joybrato Mukherjee: Die Internationalisierung des Wissenschaftssystems ist mir eine Herzensangelegenheit. Seit über sieben Jahren bin ich DAAD-Vizepräsident. Nach zahlreichen Anfragen aus den Reihen der Mitgliedseinrichtungen des DAAD lag es nahe, die Verantwortung als Präsident zu übernehmen. Es ist attraktiv, auf diese Weise die wissenschaftspolitische Diskussion in der Bundesrepublik insgesamt mitzugestalten. Internationale Vernetzung ist gerade in diesen Zeiten, in denen manche Kreise weltweit auf Abschottung setzen, ein wichtiges Anliegen.

Was sind Ihre wichtigsten Pläne? Worauf freuen Sie sich?

Mukherjee: Eine detaillierte Programmatik werde ich erst mit Beginn meiner vierjährigen Amtszeit nach außen hin vertreten. Ich gedenke grundsätzlich, den Erfolgskurs der letzten Jahre fortzusetzen. Die Förderung internationaler Projekte und Mobilität bleibt das Kerngeschäft. Weiterzuentwickeln gilt es die Unterstützung unserer Hochschulen bei der Umsetzung ihrer Internationalisierungsstrategien. Vielleicht am wichtigsten ist die Schärfung unserer Rolle als DIE außenwissenschaftspolitische Instanz - und entsprechender Taktgeber - im deutschen Wissenschaftssystem. Ich freue mich darauf, diese tolle Organisation, um die wir weltweit beneidet werden, leiten zu dürfen.

Der Posten des DAAD-Präsidenten ist offiziell ein Ehrenamt. Sie bleiben der JLU also erhalten. Wie viel Zeit werden Sie noch in Gießen verbringen?

Mukherjee: Niemand soll die Sorge haben - oder die Hoffnung -, dass mein Hauptamt unter meiner neuen Nebentätigkeit leiden wird. Ich bin weiter voll da. Ich bin ja bereits seit 2012 Vizepräsident - und zwar der einzige, nicht einer von vielen - des DAAD. Ich gehe nicht davon aus, dass die Abwesenheiten deutlich zunehmen werden. Man muss sich zwischen Gießen und Bonn straff abstimmen. Dafür gibt es ja heute viele digitale Möglichkeiten und an beiden Standorten exzellente eingespielte Teams.

Ursprünglich haben Sie Lehramt studiert. Nach Einschlagen der wissenschaftlichen Karriere haben Sie sich früh hochschulpolitisch engagiert und waren bei Ihrer Wahl vor zehn Jahren der jüngste Universitätspräsident Deutschlands. Aus Ihrer SPD-Mitgliedschaft machen Sie kein Geheimnis und wurden als potenzieller Minister gehandelt. Wann wurde die übergeordnete Gestaltung ihr erklärtes Berufsziel?

Mukherjee: Ein erklärtes Berufsziel ist das nie gewesen. Es war eher so, dass ich immer wieder in Dinge hineingeraten bin oder hineingezogen wurde und sich neue Türen geöffnet haben.

Haben Sie bei Ihrer Wahl davon profitiert, dass Sie Internationalität verkörpern?

Mukherjee: Wer in der Wissenschaft erfolgreich ist, hat immer eine internationale Lebensgeschichte. Das hat nichts mit Hautfarbe oder einem exotisch anmutenden Familiennamen zu tun. Aber natürlich sehe ich mit einer gewissen Genugtuung, dass mit zwei neuen Gießener Köpfen die Diversität an der Spitze der Wissenschaftsorganisation erkennbar zunimmt.

Was haben Sie als Uni-Präsident gelernt, was Ihnen im DAAD zugute kommt?

Mukherjee: Nutzen kann ich die Erfahrungen im Hinblick auf Partzipation der Studierenden und auf das Bemühen, alle für eine Linie zu gewinnen. Dieser Alltag hilft mir auch im DAAD, einem großen Verein mit sehr unterschiedlichen Mitgliedern mit ihren jeweils eigenen Erwartungshaltungen.

Sie haben es angesprochen: Mit Professor Katja Becker rückt eine weitere JLU-Vertreterin an die Spitze einer bedeutenden Wissenschaftsorganisation, nämlich der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Kann man von einem besonders kurzen Draht sprechen, der damit entsteht?

Mukherjee: Der kurze Draht ist schon immer dagewesen. Die beiden Organisationen sind in Bonn unmittelbare Nachbarn. Natürlich macht es viele Dinge einfacher, wenn man sich persönlich kennt. Und dass ausgerechnet die Kollegin, die ich für das Amt als Uni-Vizepräsidentin gewinnen konnte, zehn Jahre später mit einem so klaren Ergebnis an die Spitze der DFG gewählt wird, erfüllt mich mit besonderer Freude.

Kann Gießen und speziell die JLU von dieser doppelten Spitze profitieren? Oder könnte sie sogar zum Nachteil werden, weil man den Eindruck der Bevorzugung der eigenen Hochschule vermeiden muss?

Mukherjee: Bevorzugung ist gar nicht möglich, da alle Mittelvergaben gutachterlich abgesichert sind. Das ist sowohl beim DAAD als auch bei der DFG ein ausgeklügeltes und objektives System. Ich glaube im Übrigen, dass wir Gießener als ehrliche Makler wahrgenommen werden, die sich in den Dienst größerer Zusammenhänge stellen.

Was bedeutet Ihnen Gießen?

Mukherjee: Es ist nach dem Rheinland meine zweite Heimat geworden. Dass ich im Bewerbungskarussell um meine erste Professorenstelle hier gelandet bin, war riesengroßes Glück, mindestens ein Sechser im Lotto. Gießen ist cool, ohne es zu selber zu wissen. Die Stadt sollte ihre Stärken noch viel selbstbewusster nach außen vertreten.

Wollen Sie langfristig in Gießen bleiben?

Mukherjee: Ich sehe keinen Grund, aus einer Stadt, die ich sehr schätze, zu fliehen.

Ihre Amtszeit als Uni-Präsident endet im Dezember 2021. Wollen Sie bei der nächsten Wahl wieder antreten?

Mukherjee: Es ist viel zu früh, diese Frage zu stellen. Neben meiner persönlichen Lebensplanung wird die Antwort zu gegebener Zeit auch davon abhängen, was die Universität, der ich diene, mehrheitlich will.



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