Im Ortsbeirat Rödgen herrschen vorerst noch Zweifel. Dabei geht es um das Logistikzentrum, das der Online-Händler Otto auf dem ehemaligen AAFES-Gelände plant. Während Bürgermeister Peter Neidel (CDU) und Stephan Henrich vom Stadtplanungsamt in einer Sondersitzung des Gremiums am Dienstagabend betonten, der Verkehr zum und von dem Paketverteilzentrum werde aller Voraussicht nach weitestgehend über die umliegenden Autobahnen fahren, fürchteten die Rödgener negative Auswirkungen auf ihren Stadtteil. Zu dem Entwurf für den Bebauungsplan »Am Alten Flughafen III« verabschiedeten deshalb alle Fraktionen gemeinsam einen Antrag an das Stadtparlament.
»Damit keine zusätzliche verkehrliche Belastung für Rödgen entsteht«, fordern CDU, SPD und Freie Wähler darin eine »Lenkungsmaßnahme«: Auf der A5 soll vor dem Reiskirchener Dreieck eine »Vorwegweisung« mit Schildern die Strecke über die Nordtangente und den Gießener Ring bis zur Abfahrt Ursulum ausweisen. Dies, so die Hoffnung, könnte bereits viel Verkehr auf der Autobahn halten. Parallel sei die K22 als potenzielle Ausweichstrecke zu sanieren und die direkte Route über die B49 zur K22/L3126 und weiter zum Industriegebiet schon an der A5 anzuzeigen. Um die Rödgener Ortsdurchfahrt als Schleichweg möglichst unattraktiv zu machen, möchte der Ortsbeirat ferner prüfen lassen, ob sie für Fahrzeuge mit mehr als zehn Tonnen Gewicht gesperrt und ob dort Tempo 30 erlassen werden kann.
»Wir sind nicht überzeugt, dass der Verkehr wie vorgesehen läuft«, begründete Jürgen Becker (SPD) den Antrag, der eine »Maximalforderung« formuliere. Aus heutiger Sicht sei zu vermuten, »dass der eine oder andere Lkw-Fahrer doch die kürzeste Strecke« wähle und also die B49 und die K22 nutze. Henrich verwies in seiner Erläuterung der Pläne hingegen auf Zahlen der Gutachter: Wegen der Schichtzeiten finde der durch Mitarbeiter des Zentrums verursachte Verkehr – die Stadt rechnet insgesamt mit 4000 Pkw- und 850 Lkw-Fahrten zusätzlich pro Tag – vorwiegend außerhalb der Spitzen benachbarter Betriebe statt. Von den Knotenpunkten unweit der Autobahn sei er nicht zuletzt deshalb gut zu verkraften. Und für Rödgen würden nur geringe Folgen prognostiziert.
Als weiteren Vorteil nannte Henrich, dass mit der Otto-Gruppe ein einzelner Akteur fast den gesamten bisher noch freien Teil des ehemaligen Depots bewirtschafte. Dadurch könne ein großer Teil der Lkw-Ströme aus einer Hand gesteuert werden. Um die Ziele abzustimmen, wolle die Stadt mit Otto »die Verkehrslenkung vertraglich fixieren«. »Alle haben ein Interesse daran, dass es mit dem Verkehr funktioniert«, versicherte auch Neidel. Der Konzern wolle seine Logistik ohnehin so weit wie möglich über die Autobahnen abwickeln, hob wiederum Henrich hervor: »Kein Lkw wird nach der Planung von Otto andere Routen nehmen.«
Zu weiteren Aspekten lägen nun auch belastbare Daten vor. Beispiel Geräuschkulisse: Gutachter hätten ermittelt, »dass Rödgen keinen Lärm abbekommt«, sagte Henrich. An den nächstgelegenen Wohnhäusern, in der Seewiesenstraße, betrage der Wert 26 bis 27 Dezibel. Die Frischluftzufuhr in Richtung Stadt, nach der Dieter Geißler (SPD) fragte, sei mittels Schneisen und Freiflächen gewährleistet. Bei allen zu bewältigenden Aufgaben, so Neidel, bedeute die Otto-Ansiedlung unterm Strich »einen großen Glücksfall« – für Gießen und auch für Rödgen«.