Seit 111 Jahren steht das Stadttheater als lebendiges »Denkmal Bürgerlichen Gemeinsinns« am Berliner Platz. Nun ging die äußerst erfolgreiche Jubiläumsspielzeit, die unter dem Motto »Eins Eins Eins« stand, zu Ende. Mit der typischen Gießener Spielplanmischung aus Bekanntem und Beliebtem sowie noch unbekannten oder neu zu entdeckenden Raritäten ist es dem Stadttheater unter Intendantin Cathérine Miville erneut gelungen, das Publikum mit einem facettenreichen Programm zu begeistern und zu fordern.
Die Gießener Theatermacher hatten sich für 2018/19 schwerpunktmäßig vorgenommen, mit anregenden ästhetischen Ausdrucksformen die besondere Vielfalt der Stadtgesellschaft aufzunehmen, sich virulenten Themenkomplexen der Zeit künstlerisch zu nähern und das Stadttheater weiterhin auf möglichst breiter Basis als Erfahrungsraum der Demokratie und Ort des Dialogs zu öffnen. So wurde die taT-Studiobühne während der Europawoche zum »Treffpunkt Europa«: Zahllose Veranstaltungen und Aktionen, die gemeinsam von Initiativen, Gruppen, Hochschulen und Politikern realisiert wurden, sollten möglichst viele Menschen zur Beteiligung an der Europawahl motivieren. Dabei sind Netzwerke entstanden, die auch über die Europawahl hinaus aktiv bleiben werden. Der Diskurs mit der (Stadt-)gesellschaft wurde daneben mit der bundesweiten Diskussionsreihe »Die offene Gelassenschaft« fortgeführt, die sich neben Europa mit den Themen Glaube und Religion sowie Fridays for Future beschäftigte.
Ein für Gießen und das Stadttheater einmaliges Ereignis war die szenische Aufführung der Orchestersuite »Surrogate Cities« des international renommierten Komponisten und Theaterwissenschaftlers Heiner Goebbels in der Osthalle. Rund 400 Beteiligte hatten zu dem Erfolg der spartenübergreifenden Großveranstaltung beigetragen: neben Leitungsteam und Technik das um 27 Gäste erweiterte Philharmonische Orchester Gießen unter der musikalischen Leitung von Kapellmeister Martin Spahr, ein Team aus Choreografen und Breakdancern unter der szenischen Gesamtleitung von Tarek Assam, die mit der technischen Einrichtung betraute Firma Flashlight, die internationalen Gesangsstars Jocelyn B. Smith und David Moss sowie rund 300 Schüler der Ostschule. Über 2000 Zuschauer erlebten dieses jugendlich-dynamische Educationprojekt, das eine Förderung im Rahmen des Programms »Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland« möglich gemacht hatte.
Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen prägte auch die Schauspielsparte. Das Kinder- und Jugendtheater verzauberte zum Jubiläumsjahr nicht nur mit Gertrud Pigors Familienstück »Jupp - Ein Maulwurf auf dem Weg nach oben« kleine und große Zuschauer. Das Musiktheater spannte einen besonders weiten Bogen durch die Epochen, mit namhaften Gastdirigenten, einer konzertanten Humperdinck-Aufführung und - erstmals in der Geschichte des Hauses - einem Auftragswerk.
Lange Theaternacht ein Erfolg
Zum mittlerweile 17. Mal waren beim Festival TanzArt ostwest Tanzcompagnien aus dem In- und Ausland in Gießen zu Gast, die auch an außergewöhnlichen Orten in der Stadt Performances zeigten. Erstmalig kooperierte das TanzArt ostwest-Festival mit der Hessischen Theaterakademie.
Renommierte internationale Solisten und namhafte Dirigenten, klassische sowie Neue Musik: In neun eigenen Sinfoniekonzerten bot das Philharmonische Orchester Gießen wieder ein abwechslungsreiches Konzertprogramm, wobei die Aufführung von Gustav Mahlers 5. Sinfonie unter der musikalischen Leitung von Gastdirigent Florian Ludwig einen absoluten Höhepunkt darstellte. Der stellvertretende GMD Jan Hoffmann setzte die Kooperation mit der Wetzlarer Singakademie und dem Gießener Konzertverein in zwei Chorkonzerten eindrucksvoll fort, darunter die Wiederentdeckung von Max Bruchs »Moses«-Oratorium.
Nach vier Jahren Pause kehrte mit der Langen Theaternacht ein beliebtes Format zurück und lockte nicht nur Studierende, um eine ganze Nacht lang Theater auf schräg originelle Art und Weise zu entdecken.