26. Juni 2018, 21:52 Uhr

Die Stimmen der Stadt

»Surrogate Cities« heißt eines der wichtigsten Werke von Heiner Goebbels. Eine groß angelegte Performance des Stücks in der Osthalle realisiert das Stadttheater gemeinsam mit der Ostschule. Fast 400 Mitwirkende wollen Zeichen setzen.
26. Juni 2018, 21:52 Uhr
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Von Manfred Merz
Erklären mehr als nur den Plan für ein Konzert (v. l.): Cathérine Miville, Dr. Frank Reuber, Martin Spahr und Tarek Assam. (Foto: Schepp)

Alle sind voller Zuversicht und Hingabe. Es soll ein Großereignis werden, an das sich jeder noch lange zurückerinnert. Die Rede ist von Heiner Goebbels’ Orchestersuite »Surrogate Cities«, das vielleicht vielschichtigste Werk des JLU-Ehrenprofessors. Das Stück aus dem Jahr 1994 für großes Orchester, Stimme, Mezzosopran und Sampler wird vom Stadttheater in Zusammenarbeit mit der Gesamtschule Gießen Ost am 22. September (19.30 Uhr) in der Osthalle szenisch-choreografisch aufgeführt.

Tanzdirektor Tarek Assam hat die Regie übernommen und das Spielfeld der Halle in ein Schachbrettmuster unterteilt. 28 Flächen sollen von 300 Schülern der Jahrgänge 7, 9, 11 und 12 mit Leben gefüllt werden. »700 wollten mitmachen«, sagt Schulleiter Dr. Frank Reuber am Dienstag beim Pressegespräch im Stadttheater, so groß war das Interesse.

»Es wird im Verlauf des Konzerts eine Art Kleinstadt aufgebaut«, erläutert Assam seine Idee einer Inszenierung. Zehn Choreografen hat er mit der Einstudierung betraut. »Es ist ein einmaliges Projekt einer integrierten Gesamtschule«, lobt Reuber das ambitionierte Vorhaben.

Möglich wurde es durch einen Zuschuss des Bundes. Das Stadttheater erhielt im vergangenen Jahr die Zusage über eine Förderung in Höhe von 175 000 Euro für ein sogenanntes partizipativ-performatives Orchesterprojekt, soll heißen: Es gab Geld von Vater Staat für ein besonderes Konzerterlebnis. Kapellmeister Martin Spahr schlug sogleich »Surrogate Cities« vor. »Mich überzeugte die Idee sofort«, bekräftigt Stadttheater-Intendantin Cathérine Miville am Dienstag, »da das Projekt verschiedene zentrale Ziele unseres Orchesters und des Theaters befördert: die Einbindung breiter Bevölkerungsschichten und den Dialog mit unterschiedlichsten Gruppierungen.« Spahr übernimmt die musikalische Leitung. Er wird ein 82-köpfiges Orchester dirigieren.

Der große Klangapparat setzt sich aus dem Philharmonischen Orchester Gießen und bewährten Gastmusikern zusammen. Das komplette Ensemble wird mit Mikrofonen ausgestattet und wie bei einem Popkonzert mithilfe von Lautsprechern verstärkt. »Goebbels’ Musik öffnet Räume«, betont Spahr. »Sie reicht von der Polyphonie bis zum Soul.« Musiziert wird unter dem Motto »Keine Angst vor neuen Tönen«.

»Surrogate Cities« (Ersatzstädte) spürt als treibende Erkundungstour den Klängen und Geräuschen von Städten musikalisch nach. Es ist einerseits ein Dokument von Goebbels’ Auseinandersetzung mit den wichtigen Tendenzen der klassischen Moderne. Andererseits entsteht durch seine Methode des Samplings von Großstadtgeräuschen ein beinahe neoimpressionistisches, aber auch derbes Mauerritzenklangbild. Die rezitierten und gesungenen Texte stammen von Heiner Müller, Hugo Hamilton und Paul Auster. Als Solist ist unter anderem Sound-Akrobat David Moss dabei. Der Vorverkauf für das einstündige Ereignis hat begonnen. Karten gibt es zum Preis von 15 Euro, ermäßigt 10 Euro.



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