In der frühen Kindheit wird die Basis für den weiteren Bildungs-, und Lebensweg gelegt. Nur: Was ist mit Eltern, die ihr Kind wegen sprachlicher Hürden oder Schwierigkeiten mit der Bürokratie nicht in einer Kita anmelden, eine frühkindliche Bildung also nicht ermöglichen? Um dieses Dilemma aufzulösen, hat das Bundesfamilienministerium das Modellprojekt »Kita-Einstieg« ins Leben gerufen. Auch die Stadt Gießen ist daran beteiligt – und erhält über einen Zeitraum von zwei Jahren 150 000 Euro. Langfristig sollen niedrigschwellige Angebote geschaffen werden, um Kita-fernen Familien den Einstieg in die Betreuung zu erleichtern und die Integration dieser Kinder zu fördern.
Die Stadt nimmt in Zusammenarbeit mit dem Kinderschutzbund Gießen an dem Bundesprogramm teil. Angesiedelt ist das Modellprojekt im Büro für Integration in Abstimmung mit dem städtischen Jugendamt und den Kitas. »In erster Linie geht es darum, Familien mit Flüchtlingshintergrund Zugänge zur Kinderbetreuung zu ermöglichen«, sagt die zuständige Dezernentin und Stadträtin Astrid Eibelshäuser am Dienstag in einem Pressegespräch im Rathaus.
Drei Anker-Kitas
Zurzeit leben 3000 Geflüchtete in Gießen; zehn Prozent davon sind nach Aussage der Dezernentin Kinder bis sechs Jahre. »Wenn wir also von Integration reden«, sagt Eibelshäuser, »geht es einerseits um Themen wie Beruf und Qualifizierung, aber andererseits auch um das Fundament, das in der frühkindlichen Bildung gelegt wird.« Doch gerade hier erschwerten Sprachbarrieren, fehlende Kenntnisse über das Kita-System in Deutschland, Probleme mit der Bürokratie oder dem Kita-Portal »Little Bird« die Teilhabe dieser Familien. Genau an dieser Stelle hat die Stadt Handlungsbedarf gesehen – »und da kam das Bundesprogramm zur richtigen Zeit«, sagt die Dezernentin.
Die Koordination des Projekts hat Lotte Bauer übernommen. Ab März will sie Interviews mit Geflüchteten führen, um den aktuellen und zukünftigen Bedarf zu ermitteln. Geplant ist zum Beispiel eine Broschüre mit wichtigen Fragen rund um das System Kita, die in mehrere Sprachen übersetzt werden soll. Bauer wird außerdem die vorhandenen Netzwerke nutzen, mit Kitas und Familienzentren zusammenarbeiten. Denn dort gibt es bereits ein breites Spektrum an Erfahrungen – seien es offene Spielkreise, Ausflüge oder Eltern- und Frauenfrühstück.
Im Mittelpunkt steht vor allem die Zusammenarbeit mit drei sogenannten Anker-Kitas. Dabei handelt es sich um das städtische Familienzentrum Heinrich-Will-Straße in der Nordstadt, das Familienzentrum »Lotte Lemke« der Arbeiterwohlfahrt im Osten der Stadt und um das Familienzentrum »Westwind« des evangelischen Dekanats in der Weststadt. Die Einrichtungen sollen Anlaufstellen für Informationen und Veranstaltungsort gleichermaßen sein. Hier können die Elternbegleiter ansetzen, die der Kinderschutzbund Gießen bereitstellt. Der freie Träger soll das Modellprojektes vor allem mit seinen Erfahrungen in der Elternberatung und in niedrigschwelligen Angeboten für Kinder unterstützen.
Interkulturelle Bildung für Erzieher
Ein weiterer Baustein des Bundesprogramms in Gießen ist die Qualifizierung von pädagogischen Fachkräften in den Kitas. Vor allem im Hinblick auf die Sensibilität gegenüber anderen Kulturen und die interkulturelle Familienarbeit. »Die Unsicherheit von Eltern mit Flüchtlingshintergrund kann zum Beispiel zu schnell von Erziehern bewertet werden«, sagt Mareike Schulte. Sie wird für die Qualifizierung verantwortlich sein. »Dabei wäre es an dieser Stelle wichtig, die Gründe für diese Unsicherheit zu erfahren und zu kennen.«
Qualifiziert werden sollen aber auch Menschen mit Migrationshintergrund, die eine pädagogische Vorerfahrung haben, in ihrer Heimat zum Beispiel in einem Kindergarten gearbeitet haben. »Das Interesse daran ist sehr groß«, sagt Schulte, »aber sehr hoch sind auch die Hürden wie die Zulassung von Berufsabschlüssen.«