Für die schwarz-grüne Landesregierung ist die Entscheidung des Staatsgerichtshofs ein schwerer Schlag: Das milliardenschwere Sondervermögen, das in der Corona-Krise aufgelegt wurde, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie aufzufangen, ist in der bestehenden Form nicht verfassungsgemäß. Nun muss das Land Hessen nachbessern. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Urteil:
? Was genau ist das Sondervermögen des Landes Hessen?
Letztlich handelt es sich um ein Landesgesetz, das die schwarz-grüne Landesregierung im Sommer 2020 mit ihrer Mehrheit im Landtag verabschiedet hat. Es räumt der Regierung umfassende Möglichkeiten ein, bis Ende 2023 bis zu zwölf Milliarden Euro für Corona-Hilfen auszugeben. Konstruiert ist das Programm als eine Art gigantische Kreditlinie, die nach Bedarf von der Regierung abgerufen werden kann. Finanziert wird das Sondervermögen über neue Schulden des Landes.
? Wofür und wie viel Geld ist schon geflossen?
Das Sondervermögen ist unter anderem dazu gedacht, Steuerausfälle auszugleichen. Wegen der Pandemie und der damit verbundenen Lockdowns war es zu einer Wirtschaftskrise gekommen. Entsprechend brachen die Steuereinnahmen ein - etwa die für Kommunen sehr wichtige Gewerbesteuer. Daher sollen Ausgleichszahlungen die Kommunen unterstützen. Doch auch Unternehmen haben aus dem Paket Finanzhilfen bekommen, Geld ging als Nothilfe an Studenten oder an Schulen zum Kauf von Laptops. Nach einer kürzlich vorgestellten Zwischenbilanz hat das Land bereits rund 300 konkrete Hilfen mit einem Volumen von mehr als 5,9 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen auf den Weg gebracht.
? Womit hatte die schwarz-grüne Landesregierung das Sondervermögen begründet?
Unter anderem mit finanzieller Planungssicherheit für einen längeren Zeitraum, damit nicht von Jahr zu Jahr neu über die Finanzmittel entschieden werden muss. Außerdem verwies die Regierung darauf, dass im eigentlichen Landeshaushalt keine Einschnitte vorgenommen wurden, um sinkende Steuereinnahmen auszugleichen. Alle Maßnahmen seien »transparent und für Parlament und Öffentlichkeit nachvollziehbar«.
? Warum hat die Opposition gegen das Gesetz geklagt?
Sie sah das Budgetrecht des hessischen Landesparlaments ausgehebelt - das Sondervermögen unterliegt nicht mehr der Kontrolle durch die Abgeordneten. Die Opposition forderte sogenannte Nachtragshaushalte, um auf die Corona-Pandemie zu reagieren. Das Gericht sieht das nun genauso: Das Land habe mit dem Sondervermögen seine haushaltsrechtlichen Kompetenzen überschritten, es hätte andere Formen der Krisenbewältigung gegeben. Außerdem verstoße das Sondervermögen in dieser Form gegen die verfassungsrechtlich verankerte Verbot der Neuverschuldung.
? Welche Rechte hat der Landtag eigentlich in Sachen Haushalt?
Eines der wichtigsten Rechte des Landtags ist das sogenannte Haushaltsrecht. Die Abgeordneten entscheiden darüber, wie viel Geld die Regierung für welchen Zweck ausgeben darf. Allerdings wird das meist nur für ein Haushaltsjahr - oder bei einem Doppelhaushalt auch für zwei Jahre - entschieden. Da ein Regierungsbündnis in aller Regel auch über die parlamentarische Mehrheit verfügt, werden die Finanzpläne - durchaus mit der einen oder anderen Veränderung - im Grundsatz so auch per Gesetz umgesetzt.
? Wird jetzt Geld aus dem Sondervermögen zurückgefordert?
Nein, das sieht die Entscheidung nicht vor, auch bereits bewilligte Maßnahmen können bestehen bleiben. Das Land hat eine Übergangsfrist bis März 2022 bekommen, um eine Lösung zu finden, die im Einklang mit der Verfassung steht.
? Was macht das Land jetzt nach diesem Urteil?
Ganz genau die Begründung des Urteils von Hessens obersten Richtern lesen. Der Staatsgerichtshof hat nicht nur das Finanzierungsmodell als verfassungswidrig eingestuft, sondern das gesamte Gesetz über das Sondervermögen mit dem Namen »Hessens gute Zukunft sichern«. Das bedeutet in der Praxis, dass in der festgelegten Übergangsfrist Maßnahmen nur neu genehmigt und finanziert werden dürfen, wenn sie einen eindeutigen Bezug zur Corona-Pandemie aufweisen.
? Wie reagiert die Opposition auf ihren Erfolg in dem Streit?
Ohne übertriebene triumphierende Gesten, aber mit Genugtuung. Die Fraktionen von SPD und FDP wollen nun eine Sondersitzung des hessischen Landtags in der kommenden Woche beantragen, um die Konsequenzen zu erörtern.