- Missmanagement wirft der Fahrgastverband Pro Bahn Hessen dem Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) vor. Das Chaos bei der Inbetriebnahme der Wasserstoffzüge Mitte Dezember im Taunus sei absehbar gewesen, die Technik ungeeignet für das Gebirge, und die Tankstelle funktioniere nicht bei Minusgraden. Eine Stellungnahme des RMV zu den Vorwürfen:
Pro Bahn: Zum Fahrplanwechsel wollte der RMV die größte Wasserstoffflotte der Welt mit einem Neuanschaffungswert von 500 Millionen Euro an den Start bringen. Bereits im Sommer 2022 stand fest, dass statt der 27 bestellten Züge bis Dezember wegen Corona und des Ukraine-Krieges maximal neun Einheiten »desiLint54« ausgeliefert werden können. Zu Betriebsbeginn waren es sechs, von denen zwei einsatzfähig waren.
RMV: Der Hersteller Alstom informierte den RMV erstmals im Sommer davon, dass nicht die komplette Zugflotte zum Fahrplanwechsel zur Verfügung steht. Der RMV wies Alstom unverzüglich an, ausreichend Ersatzfahrzeuge zu mieten. Zunächst hieß es, 15 Fahrzeuge würden bis Dezember geliefert werden, Anfang Dezember wurden noch zehn Fahrzeuge zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember in Aussicht gestellt, einige Tage vor Fahrplanwechsel waren es nur noch sechs. Seitdem wurden drei weitere Züge ausgeliefert. Die vorhandenen insgesamt 15 standen aber bis 13. Januar, dem Beginn der Streckensperrung wegen Bauarbeiten, nie komplett zur Verfügung - wegen außerplanmäßiger zusätzlicher Betankungen sowie verschiedener Störungen. Es war nicht absehbar, dass die Defekte sowohl bei den Wasserstoff- als auch bei den Dieselfahrzeugen derart massiv sind, dass selbst eine äußerst großzügige Fahrzeugreserve von 50 Prozent nicht ausreicht, um den Betrieb sicherzustellen.
Pro Bahn: Die Unwirtschaftlichkeit eines Wasserstoffantriebs auf (teil-)elektrifizierten Strecken ist wissenschaftlich nachgewiesen. Dass der Wasserstoff aus dem Industriepark Höchst umweltschädlicher »grauer Wasserstoff« ist, wurde totgeschwiegen. Er fällt zwar als sogenanntes Abfallprodukt an, muss jedoch zu marktüblichen Preisen geordert werden.
RMV: Das Taunusnetz ist wegen des geografischen Vorteils der Nähe zum Industriepark Höchst ein besonderer Fall. Dort fallen jeden Tag mehrere Tonnen Wasserstoff als Nebenprodukt der chemischen Prozesse an, der zu günstigen Konditionen weiterverwertet wird. Dass der nicht »grün« ist, wurde mehrfach transparent kommuniziert. Er ist auch nicht »grau«, sondern entsteht in einer mit Strom angetriebenen Produktionsanlage. Das heißt, er ist so »grün« wie der Strom im öffentlichen Netz, in dem der Anteil des aus erneuerbaren Quellen erzeugten derzeit bei rund 50 Prozent liegt. »Umweltschädlich« ist der Wasserstoff schon deshalb nicht, weil er als Nebenprodukt anfällt. Der Wasserstoffpreis inklusive der periodisierten Kosten der Tankanlage liegt deutlich unter dem andernorts aktuell aufgerufenen Marktpreis. Reine Dieselzüge werden zudem künftig Einschränkungen unterliegen, ein Festhalten an ihnen ist nicht auf Dauer nachhaltig.
Pro Bahn: Die Tankfahrten von den Abstellanlagen der Züge im Taunus erfolgen in der Regel nachts und erfordern somit eine Stellwerksbesetzung rund um die Uhr.
RMV: Das ist falsch. Die planmäßigen Betankungsfahrten finden über Tag statt und benötigen keine gesonderte Stellwerksbesetzung.
Pro Bahn: Der »iLint« ist eigentlich ein reines Flachlandfahrzeug. Er ist technisch für Bergfahrten nicht ausgelegt.
RMV: Die Wasserstofffahrzeuge eignen sich selbstverständlich auch für Steigungen. Unter anderem gab es in den vergangenen Jahren Testfahrten mit dem »iLint« in Österreich und auf der Zollernalbbahn in Baden-Württemberg, wo das Fahrzeug deutlich größere Steigungen zu bewältigen hatte als im Taunus - auch in den Wintermonaten. Die hohe Leistung der mit elektrischen Fahrtmotoren ausgestatteten »iLint« sprechen sogar besonders für die Taunusbahn mit ihrem dichten Haltestellenabstand.
Pro Bahn: Die Wasserstofftankstelle von Infraserv funktioniert bei Minusgraden nicht.
RMV: Dies ist falsch. Die Tankstelle funktioniert sowohl bei Minus- wie auch bei Plusgraden.
Pro Bahn: Einzelne Fahrerinnen und Fahrer hatten beim Start keine Tankkarte und konnten somit nicht tanken. Oder sie standen unangemeldet vor verschlossenen Toren.
RMV: In den ersten Tagen nach Betriebsstart gab es verschiedene Verzögerungen im Betriebsablauf, diese konnten jedoch behoben werden.
Pro Bahn: Das Triebfahrzeugpersonal wurde nicht ausreichend geschult und eingewiesen, weil dafür nicht genug Fahrzeuge zur Verfügung standen.
RMV: Die späte Fahrzeuglieferung beeinträchtigte in der Tat die Zahl der möglichen Testfahrten. Die Schulung des für die Taunusbahn eingeplanten Personals war jedoch sichergestellt und fand selbstverständlich vor dem Betriebsstart statt. Um eine noch energieoptimierte Fahrweise zu fördern, laufen kontinuierlich weiter Schulungen.
Pro Bahn: Die Kosten für die doppelt so vielen als geplanten Tankfahrten sind gewaltig hoch. Eine angemessene Entschädigung der Fahrgäste auf der Taunusbahn ist schon deshalb geboten, weil sie weder vor Ort noch über Internetseiten des RMV und der DB verlässliche Informationen über die nächsten Fahrtmöglichkeiten oder den Ausfall der Züge erhielten und somit ihre Fahrt zur Arbeit nicht planen konnten. Hunderte sind deshalb aufs Auto umgestiegen.
RMV: Wer für Mehrkosten bei Einschränkungen im Betrieb aufkommt, ist zwischen den Projektpartnern vertraglich geregelt. Es gilt daher nach wie vor, dass diese Kosten weder beim RMV noch bei dessen Tochter Fahma, die die Fahrzeuge gekauft hat, zu Buche schlagen und daher nicht den Steuerzahler belasten werden. Jutta Rippegather