24. März 2021, 21:01 Uhr

NSU 2.0, Sicherheit und der Streit ums Geld

24. März 2021, 21:01 Uhr
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Von DPA
Anwältin Seda Basay-Yildiz in ihrem Büro. FOTO: DPA

Frankfurt/Wiesbaden - Seda Basay-Yildiz muss überlegen, wenn es um die Zahl der »NSU 2.0«-Drohschreiben geht, die sie seit dem Jahr 2018 enthalten hat - es waren einfach so viele. »Insgesamt kamen 15 oder 16«, sagt die Frankfurter Rechtsanwältin, die als Nebenklageanwältin Opferfamilien der Terrorzelle NSU vertreten hat. Die Faxe und E-Mails enthielten Morddrohungen gegen die Juristin und ihre Familie, bedrohten ihre Eltern und ihre Tochter. Sie enthielten Angaben zu Adressen und persönlichen Daten, die nicht öffentlich zugänglich waren.

Ein Verantwortlicher für diese Drohschreiben und ähnliche Drohungen, die unter anderem an die Linke-Vorsitzende Janine Wissler und die Kabarettistin Idil Baydar gingen, ist bis heute nicht ermittelt. Die Ermittler stellten hingegen fest, dass die persönlichen Daten von Basay-Yildiz von einem Computer im ersten Polizeirevier in der Frankfurter Innenstadt abgerufen worden waren. Im Zuge dieser Ermittlungen kam heraus, dass es eine Chat-Gruppe innerhalb der Polizei mit rechten und rassistischen Inhalten gab. Mehrere Polizisten sind seitdem suspendiert worden.

Beuth sieht keine Rechtsgrundlage

Mit Anfeindungen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit kann Basay-Yildiz, die auch islamistische Beschuldigte verteidigt hat, umgehen. Aber Bedrohungen der eigenen Familie haben ein ganz eigenes Gewicht. Das Hessische Landeskriminalamt (LKA) hatte Basay-Yildiz technische Sicherheitsmaßnahmen empfohlen, die die Anwältin auch teilweise umsetzte. Die Kosten in Höhe von mehr als 5000 Euro wollte sie sich vom hessischen Innenministerium erstatten lassen. Das wurde abgelehnt, wie ihr in einem Schreiben des Landespolizeipräsidenten mitgeteilt wurde. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die rechtswidrige Datenabfrage in Ausübung eines öffentlichen Amts erfolgt sei, hieß es darin nach Angaben der Juristin.

Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) sagte, er verstehe die Situation von Basay-Yildiz. Für ihren gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen gebe es keine Rechtsgrundlage. Er werde aber prüfen lassen, ob die Kosten auf einem anderen Weg übernommen werden können. Von der Opposition hagelte es im Plenum Kritik an Beuth. Es sei beschämend und blamabel, dass nach über zwei Jahren noch immer keine Ermittlungsergebnisse zu den rechtsextremen Drohschreiben vorlägen, kritisierten Abgeordnete von SPD, Linke und FDP. Der CDU-Politiker wurde nachdrücklich aufgefordert, dass das Land die entstandenen Kosten für die Anwältin zu ihrem Schutz übernimmt.

Ein Rechtsgutachten kommt zu folgendem Schluss: Die »über einen längeren Zeitraum wiederholten Zugriffe von Polizeikräften auf Datenbanken und die Verwendung der Daten für Morddrohungen beweisen, dass die zuständigen Amtswalter des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main und des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport ihrer Amtspflicht zur Dienstaufsicht« nicht in der gebotenen Sorgfalt nachgekommen seien, heißt es darin. Der rechtswidrige Abruf von Daten durch Polizisten in ihrer Dienstzeit und in einem Polizeirevier begründe den Amtshaftungsanspruch gegenüber dem Land Hessen.

Neue private Adresse verschickt

Dass der Streit um die Kostenübernahme nun öffentlich geführt wird, ist Basay-Yildiz beinahe peinlich. Doch die zahlreichen Drohungen - die letzte traf ausgerechnet am Jahrestag des Hanauer Anschlags ein - tragen nicht zur Beruhigung bei. Zudem war im vergangenen Jahr auch die neue Privatadresse der Anwältin an verschiedene Journalisten und einen rechten Szeneanwalt verschickt worden - und das, obwohl eine Meldesperre verhängt worden war und das LKA über jeden Adressabrufversuch unterrichtet werden muss. dpa



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