Die Feuerwehr musste sich schon immer mit dem technischen Fortschritt auseinandersetzen. Mit höheren Häusern wurden zum Beispiel andere Leitersysteme nötig. Ein vergleichsweise neues Thema, mit dem die Einsatzkräfte künftig häufiger konfrontiert sein werden, sind Probleme mit Elektroautos. Wenn die Hochvoltelemente beschädigt sind, zeigen Erfahrungswerte, ist mit normalen Schläuchen wenig auszurichten.
Der Hochtaunuskreis hat Pionierarbeit geleistet und gestern das kreisweite Einsatz- und Ausbildungskonzept zur Bekämpfung von Bränden von Kraftfahrzeugen mit Elektroantrieb und Akku vorgestellt. Nach eigenen Angaben ist man bundesweit der erste Landkreis, der ein solches Konzept entwickelt hat und auch entsprechende Einsatzmittel bereithält. Die Idee wurde in der Bad Homburger Feuerwehr entwickelt und gemeinsam mit einer mittelständischen Firma aus dem Westerwald, RuGo Bags GmbH aus Ebernhahn, zur Marktreife gebracht.
Mädchen lieferte die Idee
Vor gut einem Jahr hatten sich Harald Samoiski und Freunde, die wie er ehrenamtlich als Führungskräfte in den Bad Homburger Feuerwehren aktiv sind, die Frage gestellt, wie solche Einsätze besser, sicherer und effizienter abzuwickeln wären. »Die eigentliche Idee hatte aber meine Tochter«, sagt Samoiski, der hauptberuflich bei einer großen Werksfeuerwehr arbeitet. »Bei einem Spiel hat sie ein Bobbycar in eine große Plastiktüte gestellt, Wasser reingeschüttet und gesagt: »Das Auto ist jetzt gelöscht.«
Auto bleibt in Quarantäne
Es wurde viel getüftelt und experimentiert. Ein Jahr später ist das RevoverEBag einsatzklar. Die Einweglösung ist im Prinzip nichts anderes als eine gefaltete Plastikplane, die unters Auto gezogen und entfaltet wird. Durch Zurrbänder wird die Plane zum Sack, »das Auto wird verpackt«, wobei die Bänder nicht zu straff gespannt werden dürfen, wie Samoiski in der Moderation einer Übung im Hof der Homburger Feuerwache erklärte, die von Vertretern aus Politik und etlichen freiwilligen und Berufsfeuerwehren aufmerksam verfolgt wurde. Denn in den Sack wird nun Wasser gepumpt, bis der Akku komplett unter Wasser ist. »Das Wasser kühlt und kann in die Batterie eindringen, sodass weitere Reaktionen unterbunden werden, die ungekühlt noch nach Tagen oder sogar Wochen passieren können«, erklärt Samoiski die Tücken der Hochvoltspeicher. Das Einsatzmittel passt vom Kleinwagen bis zum SUV. Das System kann innerhalb von zehn Minuten angebracht werden, durch verschiedenfarbige Bänder lässt es sich leicht bedienen. Der Clou: Die Plane bleibt am Fahrzeug, bis der Akku fachgerecht entsorgt werden kann, das Auto bleibt in »Quarantäne«. Für den Transport mit dem Abschleppwagen wird lediglich etwas Wasser in spezielle Tanks abgepumpt, um das Gewicht zu reduzieren.
Beim Entsorger wird dieses Wasser dann wieder in den RecoverEBag gefüllt. Mit dem System wird so auch die Menge an kontaminiertem Löschwasser minimiert, die in den Untergrund dringt. »Das Wasser kann dann auch beim Entsorger entsorgt werden«, erklärt Daniel Guischard, Leiter der Bad Homburger Feuerwehr, der dem Entwickler-Team den Rücken freigehalten hatte. Samoiski: »Wir konnten sogar Brände simulieren, um die Wirksamkeit zu testen und die Lösung zu optimieren.«
Weitere Vorteile sind vergleichsweise geringe Kosten und wenig Platzbedarf. Das im gepackten Zustand wie ein überdimensionierter Schlafsack wirkende Paket kann bequem auf den Wagen gestellt werden und kostet jeweils unter 2000 Euro. »Uns war wichtig, dass es weniger als die Ausrüstung eines Feuerwehrmanns kostet«, sagt Samoiski, »es soll sich jede Feuerwehr so etwas leisten können.«
Landkreis führt das System ein
Im Hochtaunuskreis steht die Einführung in der Fläche fest. Die Ausbildung läuft, der Kreis beteiligt sich mit einer Förderung an der Anschaffung, Landrat Ulrich Krebs (CDU) übergab den entsprechenden Förderbescheid. Auch wenn die Bad Homburger Feuerwehr das Produkt nicht vermarktet, spüre er das große Interesse, so Guischard. Kreisbrandinspektor Carsten Lauer dankte der Politik, dass sie die Umsetzung und Einführung des neuen Systems schnell und unbürokratisch ermöglicht habe und betonte dessen Bedeutung. Denn alle sind sich, wie unter anderem Norbert Fischer als Chef des Kreisfeuerwehrverbands betonte, sicher, dass die Zulassungszahlen der E-Autos weiter rasant steigen werden.
Vorrangig, so erfuhren die Zuhörer, gelte es im Einsatz zunächst unabhängig vom Antrieb, den eigentlichen Fahrzeugbrand zu bekämpfen - da brenne ein E-Auto zunächst mal so wie ein Benziner. Übrigens brennen sie auch nicht häufiger. Sind die Flammen gelöscht oder erstickt, kommt der RecoverEBag zum Einsatz. So wie man über 100 Jahre Erfahrung habe, bei Unfällen mit Benzinmotoren zu helfen, müssten die Feuerwehren nun neue Strategien für Einsätze mit Elektro-Wagen entwickeln, sagten die Feuerwehrleute. Mit der Erfindung aus Bad Homburg sind sie dabei ein großes Stück vorangekommen.