10. November 2020, 20:52 Uhr

Corona-Impfstoff made in Marburg

Auf der Zielgeraden: In Marburg steht die Produktion des Corona-Impfstoffs der Firma Biontech bevor. Das Unternehmen treibt die Herstellung des Präparats am Standort der früheren Behringwerke voran. Geplant ist der Produktionsstart laut Firmenangaben nach dem Jahreswechsel. Zudem baut das Bundesgesundheitsministerium die Impf-Infrastruktur auf - und Marburg könnte eines von 60 deutschen Immunisierungszentren werden.
10. November 2020, 20:52 Uhr
Avatar_neutral
Aus der Redaktion
Konkrete Perspektiven: Mitarbeiter des Biotechnologie-Unternehmens Biontech beraten sich im Labor. Im Werk in der Universitätsstadt Marburg bereitet man sich auf die Produktion des Corona-Impfstoffs vor. FOTO: BIONTECH/DPA

Die Produktion des Corona-Impfstoffs in Marburg rückt näher. Wie die Firma Biontech aus Mainz, die im September das Novartis-Werk am Behring-Standort übernommen hat, mitteilt, laufen nun sowohl bei der zuständigen europäischen als auch der US-Behörde die Zulassungsverfahren. Mit einer Zulassung rechnet man in den nächsten Wochen. Geplant ist der Produktionsstart in Marburg Anfang 2021. Biontech-Geschäftsführer Ugur Sahin geht davon aus, dass die Immunität nach einer Impfung »mindestens ein Jahr anhalten wird«. Angesichts der im Laufe dieser Zeit aufgebauten Produktionskapazitäten wären jährlich nötige Nachimpfungen »kein Drama«.

60 Millionen Dosen pro Monat

Noch bis zum Ende des laufenden Jahres sollen laut Biontech bereits bis zu 100 Millionen Impfdosen in anderen Werken verfügbar gemacht werden. Für das Jahr 2021 plane man - mit maßgeblicher Hilfe des Marburg-Werks -, ungefähr 1,3 Milliarden Dosen zu produzieren. Am Behring-Standort sollen so dann im ersten Halbjahr 2021 etwa 250 Millionen Dosen produziert werden. Danach bei voller Betriebsfähigkeit bis zu 60 Millionen Anti-Corona-Dosen pro Monat. Der Zulassungszeitpunkt in Europa sei noch offen, eine Marktzulassung aber in Arbeit.

Wie Biontech auf Anfrage der »Oberhessischen Presse« (Marburg) mitteilt, sind 300 Mitarbeiter im Werk beschäftigt. Aktuell bereite man sich auf die Produktion vor, es laufe der Techniktransfer. Während man die 100 Millionen Dosen in bereits fertig ausgestatteten Werken - etwa in Mainz - herstelle, werde Marburg zum Jahreswechsel 2021 einsteigen. Die Anlage werde dann eine der größten mRNA-Produktionsstätten in Europa und sei das dritte Werk im Biontech-Produktionsnetzwerk, das den »BNT162« genannten Stoff für die globale Versorgung produzieren werde.

Wird Marburg Impfzentrum?

Nach OP-Informationen ist Marburg nicht zuletzt wegen der Impfstoffproduktionsanlage zwischen Marbach und Michelbach auch als eines von mehr als 60 bundesweiten Impfzentren im Gespräch. Denn nach Plänen der Bundesregierung soll zumindest zu Beginn der Corona-Impfungen - eventuell ab Ende dieses Jahres - der Großteil des Wirkstoffs nicht in Arztpraxen, sondern in zentralen Anlaufstellen, ähnlich dem aktuellen Testzentrum-Modell, verabreicht werden. Das Bundesgesundheitsministerium will jedenfalls von der hessischen Landesregierung bis Anfang nächster Woche mögliche Adressen für Impfzentren genannt bekommen.

Neben der zentralen Lage Marburgs in Hessen sowie der geografischen Nähe zum stark betroffenen Nordrhein-Westfalen spricht offenbar vor allem die gesamte medizinische Infrastruktur für die Universitätsstadt: Vor allem Präsenz, Ausstattung und Know-how des Universitätsklinikums Gießen-Marburg (UKGM) auf den Lahnbergen - das regionale und koordinierende Corona-Schwerpunkt-Krankenhaus - sowie das Vorhandensein vieler Ärzte und anderem medizinischen Personal, das Menschen impfen könnte. Denn die Ansiedelung der Impfzentren an Kliniken gilt als wahrscheinlich. In Marburg wären so neben den UKGM-Medizinern auch Niedergelassene, etwa über den Ärztlichen Bereitschaftsdienst, direkt vor Ort. In und für Mittelhessen ist aber natürlich der UKGM-Standort Gießen ein starker Konkurrent - unter anderen wegen der autobahnbedingt besseren Erreichbarkeit für einen größeren Einzugsbereich, nämlich den Landkreis Gießen, den Lahn-Dill-Kreis, den Vogelsbergkreis und eben auch Teile Marburg-Biedenkopfs und der Wetterau.

Wichtig: Spezielle Kühltechnik

Grundsätzlich sollen Impfzentren nicht nur wegen der geplanten Massenimmunisierung, dem zu erwartenden stündlichen Durchsatz von Patienten, sondern vor allem wegen der Lagerung des vielversprechendsten Impfstoffs nötig sein: Der Biontech-Kandidat muss, um fünf Tage haltbar zu sein, nach Unternehmensangaben bei minus 80 Grad gelagert werden. Das erfordert spezielle Kühltechnik, die zwar in den meisten Krankenhäusern, nicht aber in allen Arztpraxen vorhanden sei. Nach der ersten Impf-Phase könnten laut Biontech aber Arztpraxen und Apotheken direkt beliefert werden. Das Land Hessen hat nach eigenen Angaben begonnen, für die Massenimpfung benötigte Materialien wie etwa Kanülen, Spritzen und Desinfektionsmittel zu besorgen.



0
Kommentare | Kommentieren

Bilder und Videos