29. September 2021, 20:36 Uhr

Bouffiers Machtbasis ist angekratzt

Nach der enttäuschenden Bundestagswahl rumort es in der CDU - natürlich auch in Hessen. Um die Zukunft von Ministerpräsident Volker Bouffier aus Gießen ist bereits eine Personaldebatte in Gang gesetzt.
29. September 2021, 20:36 Uhr
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Aus der Redaktion
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (hinten) umarmt Kanzlerkandidat Armin Laschet nach einer TV-Diskussion im Wahlkampf. ARCHIVFOTO: DPA

Das katastrophal schlechte Ergebnis für die Union bei der Bundestagswahl erschüttert auch den Landesverband von Volker Bouffier. Könnte doch die Hessen-CDU bei der nächsten Landtagswahl in zwei Jahren in eine ähnlich fatale Lage kommen wie die Partei bei der verlorenen Wahl auf Bundesebene: Der langjährige Amtsinhaber, in diesem Fall Ministerpräsident Bouffier, tritt vielleicht aus Altersgründen nicht mehr an. Der Koalitionspartner, in diesem Fall die Grünen, stellt mit Tarek Al-Wazir den beliebten Vizeregierungsschef - und gewinnt die Wahl.

Das ist natürlich nur ein theoretisches Gedankenspiel. Doch in der hessischen CDU hat in dieser Woche ganz real die Debatte begonnen, wie ein solches Szenario vermieden werden kann. »Die Bundes-CDU hat wie in einem Lehrbuch gezeigt, wie man es nicht machen soll«, sagt der langjährige Frankfurter Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer. Und Klaus-Peter Willsch, CDU-Abgeordneter aus dem Rheingau, präzisiert: »Die Hessen-CDU käme in eine ähnliche Problematik wie im Bund, wenn wir ohne Amtsbonus ins Rennen gingen.«

Lebhafte Diskussion über Nachfolge

Während es in der Fraktionssitzung am Dienstag ruhig zugegangen sein soll, war im Landesausschuss am Montag offenbar lebhaft diskutiert worden - auch über die Möglichkeit einer vorzeitigen Amtsübergabe des Ministerpräsidenten an einen Nachfolger in der laufenden Legislaturperiode. »Volker Bouffier hat signalisiert, dass er sich der schwierigen Lage bewusst ist und verantwortungsvoll damit umgehen wird«, berichtet Willsch.

Aus Fraktionskreisen ist zu hören, dass zwei Varianten als Erfolg versprechend für die CDU angesehen werden: Entweder tritt der 69 Jahre alte Bouffier in zwei Jahren selbst noch mal an. Oder er übergibt das Staffelholz noch vor dem Landesparteitag im Mai oder Juni 2022, bei dem ein neuer Landesvorsitzender gewählt wird, an einen Nachfolger.

Nach dem Tod von Finanzminister Thomas Schäfer werden der neue Ressortchef im Finanzministerium, Michael Boddenberg, und der CDU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Helge Braun, als mögliche Nachfolger an der Spitze der Hessen CDU und im Amt des Ministerpräsidenten gehandelt.

Gegen Braun spricht allerdings, dass er gerade sein Direktmandat in Gießen verloren hat. Doch eine vergleichbare Hürde hat auch der CDU-Politiker Michael Kretschmer genommen, der trotz Mandatsverlusts wenig später Ministerpräsident von Sachsen wurde.

Ganz einfach wäre ein Wechsel an der Spitze der Staatskanzlei aber nicht für die CDU. Denn selbst wenn sich Bouffier und die CDU dafür entscheiden würden, müssten die Grünen als Koalitionspartner zustimmen. Und das ist keineswegs selbstverständlich. Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner weicht der Debatte zum jetzigen Zeitpunkt noch aus und erklärt: »An Personalspekulationen der CDU beteiligen wir uns nicht.«

Ein erfahrener CDU-Stratege weist zudem darauf hin, dass die Koalition lediglich über eine Stimme Mehrheit im Landtag verfügt, was so eine Operation immer riskant mache: Niemand könne die Grünen zwingen, einer vorzeitigen Amtsübergabe zuzustimmen, damit stärkten sie ja gewissermaßen die Konkurrenz für die nächste Wahl.

Die SPD hätte sich bekanntlich deshalb auf Bundesebene bei einer vorzeitigen Amtsübergabe Merkels quergelegt. Anders als auf Bundesebene, liefe der Koalitionspartner der CDU in Hessen jedoch Gefahr, wenn er die Zustimmung verweigert, dass der angesehene Amtsinhaber dann selbst noch einmal antritt. Und derzeit strahlt Bouffier - nach überstandener Krebserkrankung - durchaus Freude an seinem Amt aus.

Kritik wegen Einsatz für Laschet

Derzeit muss sich der Landesvater aus Gießen aber auch ein gehöriges Maß an Kritik dafür gefallen lassen, dass er es war, der sich zusammen mit Wolfgang Schäuble vehement für den CDU-Chef Armin Laschet und gegen Markus Söder (CSU) als Kanzlerkandidat eingesetzt hat. Diese Fehleinschätzung über die Köpfe der Parteibasis hinweg dürfte Bouffiers bislang unumstrittene Position in der Hessen-CDU nicht unbedingt gestärkt haben. Schließlich hat der schlechte Bundestrend auch auf Hessen durchgeschlagen und einige Mandatsträger ihren Job gekostet.

Dennoch erfreut sich Bouffier noch einer breiten Zustimmung in der Partei. Seine Machtbasis ist aber angekratzt, was bei einer zweieinhalbstündigen Sitzung des CDU-Landesausschusses mit 100 Delegierten Anfang der Woche nach Aussagen von Teilnehmern deutlich zur Sprache gekommen sein soll.

Neben den Grünen muss die CDU in Hessen zudem auch gegen Nancy Faeser, eine erfahrene SPD-Kandidatin der Mitte, antreten. Ein Selbstläufer wird der nächste Landtagswahlkampf somit für die CDU keinesfalls.



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