»Unser täglich Brot gib uns heute.« So heißt es im Vaterunser. Und wenn man kein Brot hat? Dann braucht es Orte wie den Franziskustreff des Kapuzinerklosters Liebfrauen mitten in Frankfurt.
05. Februar 2019, 09:00 Uhr
Von Annette Spiller
Über 25 Jahre offene Türen, von 7.45 Uhr bis 11.15 Uhr etwa 160 Gäste pro Tag, im Winter einen Platz im Warmen: Mit einer Feierstunde wurde das Engagement des Franziskustreffs am Kapuzinerkloster Ende letzten Jahres auch im Frankfurter Römer gewürdigt.
Bruder Paulus Terwitte ist Guardian des Klosters, also der Obere des Konvents, und Vorstand der Franziskustreff-Stiftung. Lange leitete er ihn selbst.
»Wir müssen unser Herz einschalten«, hat Terwitte einmal sein Credo geäußert. Und: »Ich möchte jedem Menschen sagen, dass er in seinem Herzen einen goldenen Funken hat.«
Bruder Paulus, was ist das Wesentliche am Franziskustreff?
Bruder Paulus: Wir öffnen jeden Werktag und an jedem kirchlichen Feiertag obdachlosen Menschen morgens die Tür und bedienen sie zum Frühstück mit frischem Kaffee und Brot und allem, was dazu gehört. Zu dieser Gastfreundschaft gehört auch, dass sie vom Tisch weg mit einer Sozialarbeiterin ihre Situation anschauen und erste Schritte zurück in ein gesichertes Leben gehen können.
Warum heißt der Franziskustreff so?
Bruder Paulus: Der Kapuzinerbruder Wendelin wollte 1992 ein Zeichen setzen: Wie Franziskus von Assisi es vorlebte, sollte der Franziskustreff ein Ort sein, an dem alle Menschen als Brüder gesehen werden. Und wo man ihnen auf Augenhöhe begegnet.
Herzlich willkommen: Bruder Michael (vorne) und sein ehrenamtliches Team. (Fotos: 2018 Lêm...
Wie viele Mitarbeiter gibt es?
Bruder Paulus: Aus einer Gruppe von fünfzig Ehrenamtlichen sind täglich etwa fünf im Dienst. Dazu zwei hauptamtliche hauswirtschaftliche Fachkräfte für die Organisation und den Einkauf sowie eine Sozialpädagogin für die Beratung.
Wo im Kloster befindet sich der Franziskustreff und wie sieht der Raum aus?
Bruder Paulus: Wer im Innenhof von Liebfrauen eine Kerze anzündet an der Mariengrotte, braucht sich nur umzudrehen und sieht den künstlerisch gestalteten Eingang zum Frühstücksraum. Bruder Wendelin hat durch eine schöne Gestaltung des recht kleinen Raumes, in dem 32 Gäste gleichzeitig frühstücken können, den armen Menschen sagen wollen: Sie als Gäste sind es uns wert, dass Raum und Frühstück bis ins Detail hochwertig sind.
Wir fragen keinen nach seinem Namen und wir prüfen auch nicht, ob er es wirklich nötig hat. Die ehrliche Liebe, mit der unsere Ehrenamtlichen das Frühstück servieren, ist der Nährboden, auf dem Vertrauen wachsen kann.
Bruder Paulus
Wie finanziert sich der Franziskustreff? Und warum kostet das Frühstück 50 Cent?
Bruder Paulus: Der Eigenbeitrag von 50 Cent drückt den Respekt unserer Gäste vor der Gabe aus, die sie in Empfang nehmen. Ermöglicht wird diese tägliche Zuwendung von vielen, vielen Wohltäterinnen und Wohltätern: Die einen drücken uns einmalig oder auch bei jedem Besuch in der Stadt fünf Euro in die Hand. Andere kommen Weihnachten oder das Jahr über mit einem größeren Betrag. Wieder andere spenden zu einem frohen und manchmal auch aus traurigem Anlass für die Bedürftigen. Und es gibt auch jene, die den Franziskustreff als Erbe oder Vermächtnisnehmer einsetzen.
Wer zum ersten Mal zu Ihnen kommt, ist vielleicht befangen. Wie nehmen Sie Ihren Gästen die Scheu?
Bruder Paulus: Wir fragen keinen nach seinem Namen und wir prüfen auch nicht, ob er es wirklich nötig hat. Die ehrliche Liebe, mit der unsere Ehrenamtlichen das Frühstück servieren, ist der Nährboden, auf dem Vertrauen wachsen kann. Und weil wir manchmal gefragt werden, ob wir da nicht zu leichtgläubig sind und ausgenutzt werden könnten: Wir kennen unsere Pappenheimer…
Wie läuft so ein Frühstück ab? Gibt es Rituale?
Bruder Paulus: Wer unseren Franziskustreff betritt, kann sich einen Platz aussuchen. Er verstaut seine Sachen und legt 50 Cent auf den Tisch, oft in vielen kleinen Münzen, die er den Tag zuvor für sein Frühstück gesammelt hat. Wenn das Geld übergeben ist, fragt die Bedienung, was der Einzelne wünscht: Kaffee, Tee oder Kakao, Käse- oder Wurstplatte oder gemischt, eventuell ein süßes Stückchen… Nach etwa 45 Minuten müssen wir wegen vieler anderer, die kommen, unsere Gäste bitten, aufzustehen und ihren Teller, Besteck und Tasse zum Geschirrwagen zu bringen – so viel Eigenbeitrag muss ein.
Kommen beim Frühstück auch ernste Themen auf den Tisch?
Bruder Paulus: Da sind obdachlose Menschen wie du und ich: Wer redet schon beim Essen gern von seinen Sorgen? Außerdem kennen sich unsere Gäste oft untereinander nicht oder nicht so gut. Manchem sieht man die Sorgen an, der wird dann diskret angesprochen und eingeladen, sich hier und jetzt eine Zeit in der Sozialberatung zu gönnen.
Miteinander zu essen ist viel mehr als Nahrungsaufnahme. Was erleben Sie beim Frühstück? Können Sie ein, zwei besondere Begebenheiten erzählen?
Er (Jörg) kommt fast jede Woche und frühstückt mit, weil er die Gemeinschaft schätzt und auch seine Dankbarkeit zeigen will, die er für unsere Mitarbeitenden hat.
Bruder Paulus
Bruder Paulus: Ich denke da an Eva. Sie kommt fast jeden Tag, ist über fünfzig, schläft schon lange irgendwo in der Stadt, mal hier, mal da, und ist immer freundlich. Über die Jahre ist sie aufgetaut, und manchmal blitzt der Schalk aus ihren Augen. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass unsere Gäste wahrnehmen, dass wir lange, lange Geduld haben und nicht erwarten, dass jemand sich schnell ändert. Ein anderes Beispiel ist Jörg. Er war lange obdachlos und lebt nun durch unsere Vermittlung in einem Seniorenheim. Er kommt fast jede Woche und frühstückt mit, weil er die Gemeinschaft schätzt und auch seine Dankbarkeit zeigen will, die er für unsere Mitarbeitenden hat.
Viele obdachlose Menschen haben Hunde. Dürfen die mit rein?
Bruder Paulus: Wir haben für die vierbeinigen Gäste einen Fress- und Wassernapf – allerdings draußen vor der Tür. Es ist schon herzzerreißend, wenn man sieht, wie liebevoll Herrchen oder Frauchen von ihrem Gefährten sprechen – und wie geduldig sie vor der Tür erwartet werden.
Info
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein
(pi). So steht es in der Bibel (5. Mose 8,3). Im Franziskustreff gibt es nicht nur Brot, Butter, Marmelade und vieles mehr für einen leckeren Start in den Tag, sondern auch Perspektiven für das Leben. Die Verantwortlichen arbeiten dafür, Obdachlosen eine Rückkehr in die Gesellschaft zu ermöglichen. Dazu gehört, mit Gästen Wege aus der Krise zu suchen, sie im Einzelfall an Fachdienste anderer Einrichtungen zu vermitteln, Hilfepläne zu erarbeiten und auch kreative Angebote zu machen. Dafür bietet eine Diplompädagogin Sozialberatung an. Der jetzige Leiter des Franziskustreffs, Bruder Michael Wies, ist Diplomsozialarbeiter und Diplompädagoge und begleitet wohnungslose Menschen, die von der Franziskustreff-Stiftung eine Unterkunft erhalten haben, auf dem Weg zurück in ein selbstständiges Leben.