12. Juli 2019, 19:20 Uhr

Kein großer Schritt für den Alltag

21. Juli 1969: Neil Armstrong betritt als erstes Lebewesen überhaupt den Mond. »Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit«, ist sein berühmter Satz. Der weckte Hoffnungen auf eine bessere Zukunft für die Erdbewohner. Doch was hat die milliardenschwere Apollo-Mission gebracht? Fragen an den Gießener Raumfahrtexperten Prof. Markus Thoma.
12. Juli 2019, 19:20 Uhr
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Von Rüdiger Geis

Angefangen mit Apollo 11 im Juli 1969 landeten die Amerikaner insgesamt sechsmal auf dem Mond, zuletzt mit Apollo 17 im Dezember 1972. Eine technische Meisterleistung der Entwickler und Raketenbauer. Die Crews brachte viele Gesteinsproben vom Erdtrabanten mit. Doch was brachte der Aufwand für den Alltag der Menschen auf der Erde? Dass die Teflonpfanne ein Abfallprodukt der Raumfahrt ist und für diese der Akku-Schrauber entwickelt wurde, gehört ins Reich der Legenden. Prof. Markus Thoma vom Physikalischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen ist Raumfahrtexperte und eher skeptisch mit Blick auf den praktischen Nutzen für Otto-Normalverbraucher.

Wie ist Ihre persönliche Beziehung zur ersten Mondlandung?

Prof. Markus Thoma: Das ist sehr einfach zu beantworten: Ich bin Jahrgang 1958. Bei der Mondlandung war ich zehn Jahre alt. Und ich muss sagen: Das war wahrscheinlich das größte Ereignis, dass ich je am Fernsehen erlebt habe. Für mich damals als Kind faszinierend. Ich kann mich noch erinnern, ich war mit fünf, sechs Jahren schon von der Raumfahrt begeistert, habe die ganzen Gemini- und Apollo-Programme verfolgt. Ich kann mich an den Tag der Mondlandung sehr genau erinnern. Die sind ja abends gelandet, das wurde dann übertragen. Und die sind nicht gleich ausgestiegen. In der Frühe dann haben mich meine Eltern geweckt. Die Bilder waren ganz verschwommen, aber es war ein fantastisches Ereignis.

Was verbindet Sie mit der Raumfahrt?

Thoma: Ich bin beteiligt an einem Experiment oben auf der ISS. Ich war für dieses Experiment länger als wissenschaftlichter Projektleiter tätig, habe da also sehr viel Erfahrung mit Raumfahrt und eben auch der bemannten Raumfahrt gesammelt. Insofern habe ich eine sehr enge Beziehung.

Was ist das Faszinierende an diesem Ereignis, das vielleicht mit Kolumbus’ Reise ins Unbekannte vergleichbar ist?

Thoma: Ich denke bei der Raumfahrt wusste man schon sehr genau, auf was man sich einlässt. Natürlich gab es immer wieder Risiken. Aber es war geplant, das Ziel war klar. Das wirklich Faszinierende ist, und das ist das Einmalige, dass es das erste Mal war, dass ein Mensch seinen Fuß auf einen fremden Himmelskörper gesetzt hat. Ich glaube, dass ist noch weitaus interessanter als die Reise von Kolumbus. Auch wenn es nicht so viele Auswirkungen auf das Leben hatte.

Dass die Teflonpfanne ein Ergebnis der Weltraumforschung ist, gehört ja ins Reich der Legenden. Dennoch gibt es sicher einige Alltagsdinge, die ihr Dasein der Raumfahrt verdanken?

Thoma: Also, ehrlich gesagt, ich wüsste nichts, das in der Raumfahrt entwickelt wurde und das dann später auf der Erde verwendet wurde. Es gibt so ein paar Sachen, das hört man immer wieder, aber ob das stimmt, das weiß ich nicht. Zum Beispiel die viskoelastische Matratze, weil die Raumfahrer, wenn sie mit hoher Beschleunigung in die Atmosphäre eindringen, sehr gut abgefedert und eingebettet sein müssen.

Also eher wenig Nutzen?

Thoma: Ich denke, es ist gar nicht so wichtig, ob in der Raumfahrt einzelne Dinge entwickelt wurden, die da Anwendung auf dem Boden finden. Sondern eher, dass die Raumfahrt auch technisch einen sehr großen Fortschritt gebracht hat. Ich denke da zum Beispiel an die Entwicklung des Computers oder an die Solarpanele und Solarzellen. Das ist alles im Rahmen der Raumfahrt weiterentwickelt worden. Aber es ist jetzt nicht so, dass das ein Spin-off der Raumfahrt wäre. Was aber auch noch wichtig ist: Wir machen natürlich auch Experimente oben auf der ISS. Und da werden auch Dinge entwickelt, die auch auf der Erde einen Einfluss haben.

Zum Beispiel?

Thoma: Bei Astronauten, die lange im Weltraum sind, kann man feststellen, dass sich die Knochen abbauen. Es findet also Osteoporose statt - bei jungen Leuten unter kontrollierten Bedingungen. Man weiß, wenn der Knochen nicht durch die Schwerkraft stimuliert wird, dann baut er ab. Jetzt kann man also die Astronauten, wenn sie wieder zurückkommen, in ein MRT schicken. Und dann kann man sehen, wie sich diese Osteoporose ausgewirkt hat, wie der Knochen sich abgebaut hat. Und anschließend kann man auch sehen, wie der Knochen sich wieder regeneriert. Ärzte können hier also unter sehr kontrollieren Bedingungen dieses Phänomen studieren und damit vielleicht auch Medikamente oder Hilfsmittel entwickeln, die dann den Menschen wieder helfen.

Die Landung auf dem Mond war ja letztlich auch ein Rennen um Prestige zweier Supermächte. Was aber hat die teure Erforschung des Erdtrabanten bisher für die Menschheit gebracht?

Thoma: Es wird ja häufig gesagt, dass die bemannte Raumfahrt so wichtig ist für die Erforschung des Weltraums. Tatsächlich ist das für mich eher ein vorgeschobenes Argument. Dass es wirklich etwas für die Menschheit bringt, ist schwierig zu sagen. Natürlich gibt es Wettersatelliten, die das Klima überwachen, und Erdbeobachtungssatelliten. Die sind sehr wichtig für unsere Klimamodelle, weil sie viele Informationen liefern. Aber das hat nichts mit der bemannten Raumfahrt zu tun oder gar mit der Erforschung des Mondes.

Also kein wirklicher Nutzwert?

Thoma: Was man natürlich gelernt hat: Man weiß heutzutage, wie der Mond entstanden ist. Und dazu haben die Untersuchungen durch die Apollo-Missionen auch beigetragen, weil die Material zur Erde zurückgebracht haben. Für die Astronomen und Astrophysiker ist das sicher interessant gewesen, aber für die Menschheit als solches sehe ich da keinen so großen Nutzen.

China hat kürzlich eine Sonde auf der Rückseite des Mondes gelandet. Welche Erkenntnisse kann man sich von dieser Mission erwarten?

Thoma: Auch hier wieder hauptsächlich wissenschaftliche Ergebnisse. Die abgewandte Seite des Mondes ist sehr, sehr ruhig. Dort gibt es keine Störungen, keine Signale von der Erde. Man könnte da zum Beispiel ein Radioteleskop aufbauen und ungestört Signale aus dem Weltraum empfangen. Für die astronomische Forschung wäre das interessant.

Auch US-Präsident Trump spricht von neuen Mond- und sogar Marsmissionen. Absichten, die allesamt viel Geld erfordern. Was wäre der Nutzen? Ließe sich der Mond - gerade auch mit Blick auf den Klimawandel - sinnvoll nutzen? Als Rohstoffquelle? Oder, provokant gefragt, als Müllhalde?

Thoma: Man kann sich sicher verschiedene Szenarien überlegen. Rohstoff, da geht es zum Beispiel um Helium 3, das auf dem Mond vorkommen soll. Sehr, sehr teures Material, das man hier auf der Erde fast gar nicht hat. Trotzdem würde ich sagen, dass der Aufwand einfach viel zu groß ist - momentan und auch in absehbarer Zeit. Hinzu kommt für mich, dass die bemannte Raumfahrt meiner Meinung nach keine große Zukunft haben wird. Der Weltraum ist viel zu gefährlich. Der Aufwand, den man betreiben muss, um Menschen vor dem Weltraum zu schützen, ist so enorm und so teuer, dass sich das nie rentieren wird. Ich denke, dass in Zukunft die bemannte Raumfahrt komplett ersetzt werden wird durch Roboter.

Wie sieht das aber auf der ISS aus?

Thoma: Die Astronauten in der Raumstation sind noch unterhalb des Magnetfeldes der Erde und damit geschützt. Die Teilchenstrahlung, die von der Sonne kommt, trifft sie nicht, weil sie durch das Magnetfeld abgelenkt wird. Aber in einer Raumkapsel, die auf dem Weg zum Mond oder zum Mars ist, wäre man komplett ungeschützt. Von Zeit zu Zeit sendet die Sonne sehr starke Strahlung aus, und wenn dann diese Raumkapsel getroffen würde, wären die Astronauten tot. Insofern sehe ich keine Zukunft für die bemannte Raumfahrt.

Braucht es für solche Mammutaufgaben nicht eine tief greifende Kooperation aller Nationen, die im Weltraum aktiv sind?

Thoma: Bei der ISS haben wir das ja schon. Ich denke auch, dass das notwendig ist. Die Verträge laufen noch bis 2024, die Garantien für die einzelnen Komponenten bis 2028. Soweit wird sie wahrscheinlich auch betrieben werden. Aber wie geht’s danach weiter? Momentan sieht es ja so aus, dass die Chinesen ihre eigene Raumstation bauen. Die NASA hat die Idee, eine Raumstation um den Mond zu bauen und von dort vielleicht zum Mars zu fliegen. Die ESA mit Prof. Wörner, der ja Präsident der TU Darmstadt war, möchte auf den Mond eine Station bauen. Natürlich geht das nicht einzeln. Das geht nur, wenn alle zusammenarbeiten. Das ist alles viel zu teuer und zu aufwendig.

Wird es eines Tages Leben auf dem Mond geben können?

Thoma: Eine Mondstation wäre schon denkbar. Die Möglichkeit, auf dem Mond zu leben, könnte ich mir schon eher vorstellen. Erstens hat man dort eine geringe Schwerkraft, ausreichend für den Menschen, dass er da keine größeren Schäden davonträgt, auch wenn er länger dort verweilt. Man könnte sich in den Boden eingraben, was natürlich auch eine Möglichkeit wäre, sich vor der Strahlung zu schützen. Man kann aus den Mineralien Sauerstoff gewinnen, sodass man nicht dauernd von der Erde versorgt werden müsste. Und man würde in sogenannten Habitaten Pflanzen ziehen und Lebensmittel anbauen.

Und realistisch?

Thoma: Das wäre theoretisch möglich. Der Aufwand wäre wie gesagt enorm. Und ob man das möchte oder nicht, ist auch eine politische Frage.



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