- Anna arbeitet seit zwölf Jahren in Deutschland als Prostituierte. Seit Beginn der Corona-Krise hat sie keine Einnahmen mehr. Denn Bordelle, Laufhäuser und ähnliche Prostitutionsbetriebe mussten vor vier Monaten schließen. »Mir geht es katastrophal«, sagt Anna. Anschaffen auf dem Straßenstrich sei für sie keine Möglichkeit - viel zu unsicher. »Das ist unfair vom Staat, alles Mögliche ist offen, aber hier soll das Risiko für Ansteckung hoch sein«, kritisiert sie.
Geschlossene Table-Dance-Bars und Nachtclubs, verrammelte Türen bei den Bordellbetrieben - im Frankfurter Bahnhofsviertel ist die Corona-Krise allgegenwärtig. Gestern öffneten zwei Laufhäuser in der Taunusstraße ihre Türen, um zu zeigen, dass sie Hygienemaßnahmen zur Verhinderung von Corona-Ansteckungen einhalten könnten.
Ihre Klagen gegen die zwangsweise Schließung hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel abgelehnt. »Das ist völlig unverständlich«, sagte Nadine Maletzki, die das »Sex Inn« betreibt. Die Prostituierten arbeiten hier als Selbstständige, sie mieten die Zimmer im Haus stunden- oder tageweise, um dort ihre Dienste anzubieten.
Zu möglichen Hygienemaßnahmen gehöre Fiebermessen vor dem Einlass, die regelmäßige Desinfektion aller Flächen und sanitären Einrichtungen sowie Maskenpflicht, sagt Maletzki. Sie könne dafür sorgen, dass Freier ihre Kontaktdaten angeben. »Ich kann auch die Ausweise verlangen.« Andernorts wird erwogen, sich im Falle einer Wiedereröffnung auf erotische Massagen zu beschränken und Daten von Freiern per App zu sammeln. Wegen der Zwangsschließung blühe die Prostitution auf dem Straßenstrich, in Wohnungen und in den Hotels, heißt es im Viertel. Die Sexarbeit werde illegal weitergeführt, erklärt auch das Gesundheitsdezernat auf Anfrage. Rund 2800 Prostituierte sind bei der Stadt gemeldet.
Das zuständige Wirtschaftsministerium verweist auf mehrere entsprechende Gerichtsentscheidungen und erklärt, von Prostitutionsstätten gingen »beträchtliche infektiologische Risiken« aus. Lockerungen verlangten eine sorgfältige Prüfung entsprechender Konzepte. Entscheidend sei wie auch sonst, dass die zielgerichtete Nachverfolgung von Kontaktpersonen möglich sei. Die Verordnung, in der unter anderem die Schließung von Prostitutionsstätten geregelt ist, gelte bis 16. August.
Die aus Polen stammende Prostituierte Anna sagt, sie könne glücklicherweise im Laufhaus kostenfrei wohnen und essen. »Es geht hier um Existenzen, die zerstört werden«, sagt die Frankfurter Prostituierte Marifleur. Die Not der Frauen ist das eine, das andere die wirtschaftliche Lage der Laufhausbetreiber. Anwalt Michael Karthal, der mehrere vertritt, erwägt weitere juristische Schritte. Das »Sex Inn« ist seit 14. März geschlossen. Betreiberin Maletzki sagt, Rechnungen müsse sie trotzdem bezahlen. Ihre Mitarbeiter, darunter Hausmeister und Putzfrau, seien in Kurzarbeit. »Wir wollen endlich ein Datum, an dem wir wieder aufmachen können, damit wir planen können.«